Schon kurz nach der Veröffentlichung seines Fotos in den Medien zog der Mordverdächtige Luigi Mangione zahlreiche Verehrer:innen in seinen Bann. Dabei richtete sich die Aufmerksamkeit häufig weniger auf die ihm vorgeworfene Tat, sondern vielmehr auf sein äußeres Erscheinungsbild. Sein sogenanntes Pretty Privilege schien viele zu beeinflussen und die Wahrnehmung zu verzerren.
Moralische Diskussionen rückten dabei häufig in den Hintergrund. Stattdessen wurden Social-Media-Plattformen mit Kommentaren wie „zu schön für den Knast!“, „Mir könnte er gerne einen Hinterhalt stellen …“ und virtuellen Herzchen unter seinen Bildern geflutet. Luigi Mangione erschien plötzlich weniger ein Mordverdächtiger als vielmehr ein Robin Hood und Symbol für ‚Pretty Privilege‘. Also die stille Macht des guten Aussehens. Doch was hat es damit auf sich und haben es schöne Menschen in unserer Gesellschaft wirklich leichter?
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Pretty Privilege: die stille Macht der Schönheit
Pretty Privilege, auch als Körper- oder Schönheitsprivileg bekannt, beschreibt die Vorteile, die Menschen aufgrund ihres Aussehens in sozialen, wirtschaftlichen oder politischen Kontexten erhalten. Es basiert auf gesellschaftlichen Schönheitsstandards, die definieren, welche körperlichen Merkmale als attraktiv gelten. In westlichen Gesellschaften sind diese Ideale für Männer oft mit einer großen, muskulösen Statur verbunden, während bei Frauen Schlankheit und klassische Schönheit im Vordergrund stehen.
Das Konzept von Pretty Privilege entstand aus der Diskussion über Privilegien, die durch unveränderliche Merkmale wie Rasse oder Geschlecht entstehen, und überträgt diese Idee auf körperliche Erscheinung. Samantha Kwan prägte den Begriff „Body Privilege“ und zeigte auf, wie Attraktivität Einfluss auf alltägliche Erfahrungen nehmen kann.
So werden Menschen mit konventioneller Schönheit oft als intelligenter, kompetenter und sogar moralisch überlegen wahrgenommen. Diese Wahrnehmungen führen in der Praxis dazu, dass sie bessere Chancen auf Jobs, Beförderungen und höhere Gehälter haben.
Doch Pretty Privilege ist nicht nur eine berufliche Angelegenheit. Es durchdringt auch zwischenmenschliche Beziehungen und die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit. Attraktive Menschen gelten als sympathischer, führen vermeintlich erfülltere Leben und genießen einen gesellschaftlichen Bonus, der ihnen Türen öffnet, die anderen verschlossen bleiben. Gleichzeitig zeigt dieses Privileg, wie oberflächlich und einseitig soziale Strukturen oft sind.
Nicht nur ein Modebegriff, denn Statistiken belegen den Effekt
Die allgemeinen Auswirkungen des Pretty Privilege durchdringen sämtliche Bereiche unserer Gesellschaft. Attraktive Menschen verdienen im Durchschnitt 15 % mehr im Berufsleben als weniger attraktive Personen. Dies wird durch den sogenannten Halo-Effekt erklärt, ein kognitives Phänomen, bei dem eine positive Eigenschaft, wie Attraktivität, dazu führt, dass eine Person insgesamt positiver wahrgenommen wird, selbst in Bereichen, die mit der ursprünglichen Eigenschaft nichts zu tun haben.
Eine Studie aus Düsseldorf zeigt, dass Menschen mit einer hohen Attraktivitätsbewertung monatlich bis zu 900 Euro mehr verdienen können als weniger attraktive Personen. Hochgerechnet auf ein Arbeitsleben entspricht dies dem Wert eines kleinen Einfamilienhauses.
Jedoch gibt es dabei Unterschiede zwischen Männern und Frauen, wie eine Studie der Universität Oslo verdeutlicht. Hier konnte nachgewiesen werden, dass Männer stärker vom Pretty Privilege profitieren als Frauen. Attraktive Männer erleben häufiger sozialen Aufstieg, erzielen höhere Einkommen und haben besseren Zugang zu Bildung und Jobs. Bei Frauen ist der Effekt weniger ausgeprägt. Frauen berichten jedoch häufiger von Vorteilen in alltäglichen Situationen, wie kostenlose Getränke oder bevorzugte Behandlung im sozialen Umfeld.
Attraktive Menschen können auch Nachteile erleben, wie Eifersucht oder Vorurteile. Sie werden manchmal als eitel oder weniger bescheiden wahrgenommen. In bestimmten Berufen, wie der Medizin, spielt Aussehen keine Rolle oder kann sogar hinderlich sein, da hier Leistung und Kompetenz wichtiger sind. Der Hashtag #prettyprivilege hat allein auf TikTok über 361 Millionen Aufrufe, was die Popularität des Themas in sozialen Medien unterstreicht.
Sexy Killer?
Am 4. Dezember 2024 wurde Brian Thompson, CEO von UnitedHealthcare, vor dem New York Hilton Midtown Hotel in Manhattan erschossen. Der mutmaßliche Täter, Luigi Mangione, ein 26-jähriger Absolvent der University of Pennsylvania, soll Thompson mit einer selbstgebauten Schusswaffe angegriffen und getötet haben.
Mangione hinterließ ein handgeschriebenes Manifest, in dem er das US-Gesundheitssystem scharf kritisierte und seine Tat als Reaktion auf die Praktiken von Unternehmen wie UnitedHealthcare rechtfertigte.
Nach der Tat floh Mangione und wurde fünf Tage später in einem McDonald’s in Altoona, Pennsylvania, verhaftet, nachdem ein Mitarbeiter ihn erkannt und die Polizei informiert hatte. Bei seiner Festnahme wurden eine nicht registrierte Schusswaffe, ein Schalldämpfer und mehrere gefälschte Ausweise gefunden.
Der Fall Luigi Mangione und die Macht des Pretty Privilege
Der Fall Luigi Mangione hat in den Vereinigten Staaten eine hitzige Debatte über das Konzept des „Pretty Privilege“ entfacht. Mangione, ein charismatischer Absolvent einer Ivy-League-Universität, wird in der Berichterstattung nicht nur als mutmaßlicher Täter wahrgenommen, sondern häufig auch als tragische Figur dargestellt. Statt sich auf die Schwere der Tat zu konzentrieren, rücken viele Medien seine akademischen Leistungen und die schwierigen Umstände, die angeblich zu seiner Tat führten, in den Vordergrund.
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Auf Social-Media-Plattformen hat der Fall eine Welle der Bewunderung ausgelöst. Zahlreiche Kommentare preisen Mangiones Aussehen, es werden Unterstützungsbekundungen geteilt, und es gibt sogar Stimmen, die ihn als Model sehen möchten. Diese Reaktionen werfen die Frage auf, ob sein gutes Aussehen dazu beiträgt, dass seine Tat in einem milderen Licht betrachtet wird. Kritiker:innen argumentieren, dass ein weniger attraktiver oder privilegierter Angeklagter vermutlich weitaus schärfer beurteilt worden wäre.
Titelbild © Shutterstock
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