Psychische Traumata haben eine tiefe Wirkung auf die Psyche eines Menschen und können sich auf verschiedene Weise manifestieren. In einigen Fällen kann das Trauma in der Familie fortbestehen und sogar von einer Generation zur nächsten weitergegeben werden. Dieser Artikel beleuchtet die verschiedenen Aspekte, wie traumatische Erfahrungen in der Familie über Generationen hinweg weiterleben können.
Trauma: von einer Generation zur nächsten weitergegeben
Ein traumatisches Ereignis kann tiefe Verzweiflung und große Hilflosigkeit hervorrufen. Wenn eine Gruppe von Menschen dasselbe traumatische Ereignis erlebt, spricht man von einem kollektiven Trauma. Diese tiefgreifenden Erfahrungen können dazu führen, dass sich die traumatischen Auswirkungen innerhalb der Familie verbreiten und fortbestehen. Auch über Generationen hinweg. Die emotionale Belastung und die daraus resultierenden psychischen und körperlichen Symptome können somit, und das ist wissenschaftlich bewiesen, von einer Generation zur nächsten übertragen werden.
Das Trauma der Kärntner Sloweninnen und Slowenen
Ein Beispiel dafür, wie ein Trauma in der Familie weiterleben kann, zeigt der Psychologe und Psychotherapeut Daniel Wutti in seiner Forschungsarbeit über Transgenerationelle Weitergabe von Trauma anhand der Geschichte der Kärntner Slowen*innen.
Nach den traumatischen Ereignissen des Nationalsozialismus war es in Kärnten, im Süden Österreichs, unangemessen, über diese Ereignisse zu sprechen. Vor allem auch aufgrund der Beteiligung vieler Österreicher an den nationalsozialistischen Verbrechen. Die Verfolgten, wie die Kärntner Slowen*innen zum Beispiel, wurden so mit ihren Traumata allein gelassen. Dies führte dazu, dass sie sich noch Jahrzehnte später in ihrer Heimat wie Fremde fühlten. Das Trauma der Diskriminierung und Unterdrückung wurde innerhalb der Gemeinschaft weitergegeben, was zu einer fortwährenden emotionalen Belastung führte.
Traumatisch, trotz fehlender Erinnerung
Ein weiterer problematischer Aspekt, der das Fortbestehen von Traumata in der Familie erklärt, ist die Tatsache, dass nicht erinnerte Erlebnisse dennoch problematisch sein können. Wenn traumatische Erfahrungen nicht bewusst erinnert werden, können sie im Unbewussten gespeichert bleiben und sich auf andere Weise manifestieren, wie zum Beispiel durch körperliche Symptome.
Dies betrifft nicht nur Menschen, die direkt von Traumata betroffen sind, sondern auch solche, die als Geflüchtete aus Kriegsgebieten kommen. Das Trauma kann sich somit über Generationen hinweg fortsetzen.
Die Auswirkungen eines Traumas in der Familie können auch auf die sprachliche und kulturelle Identität übertragen werden. In vielen Kärntner slowenischen Familien wurde aufgrund von Druck und Diskriminierung die Muttersprache verdrängt.
Diese Unterdrückung kann zu einem „ewigen“ Trauma führen, das auch bei nachfolgenden Generationen emotionale Spuren hinterlässt. Erst in den letzten Jahren hat die Gesellschaft begonnen, über diese Themen offen zu sprechen, und junge Menschen finden oft einen heilsamen Prozess darin, sich mit ihrer Familienbiografie auseinanderzusetzen.
Trauma Überwindung: Engagement der Gesellschaft
Die Überwindung eines Traumas erfordert nicht nur individuelle Bemühungen, sondern vor allem auch das Engagement der Gesellschaft. Es ist wichtig, dass die Gesellschaft Traumata anerkennt und das Leiden der Opfer ernst nimmt. Dies kann einen wichtigen Schritt zur Verbesserung der Situation darstellen.
Soziale Integration und Unterstützung spielen eine entscheidende Rolle bei der Bewältigung von Traumata. Psychotherapie kann ebenfalls eine wertvolle Unterstützung bieten, um den Heilungsprozess zu fördern.
Fazit
Insgesamt ist es wichtig zu erkennen, dass Traumata in der Familie sowie in der Gesellschaft weiterleben können und dass es notwendig ist, ihnen angemessen zu begegnen. Die Anerkennung und Unterstützung der Betroffenen sowie eine offene gesellschaftliche Diskussion über Traumata und ihre Auswirkungen können dazu beitragen, den Heilungsprozess zu fördern und das Fortbestehen des Traumas in der Familie zu durchbrechen.
Titelbild © Shutterstock
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