James Bond: No Time to Die, Dune von Denis Villeneuve oder der WARDA Adventkalender. Nichts von alledem wurde in diesem Jahr so sehnsüchtig und gespannt erwartet wie der Serienauftakt zu And Just Like That, die Sex and the City-Neuauflage rund um Carrie Bradshaw & Co. Die Erwartungen waren dementsprechend hoch. Was versprechen die ersten zwei Folgen? WARDA war da und hat einen Bericht für euch.
And Just Like That – Ein Original in der Kritik
Heute hagelt es von allen Seiten massenhaft Kritik an Sex and the City. Vier weiße, wohlhabende und erfolgreiche Frauen stöckeln Ende der 90er und Anfang der 2000er mit ihren first world problems (der oberen 10.000, muss man da noch ergänzen) durch New York (ausschließlich Manhattan, sollte man präzisieren) und erleben eine skurrile Sex-skapade nach der anderen. Hauptthemen ihres privilegierten Daseins als weiße Frauen der Oberschicht sind die neueste Mode, aber hauptsächlich weiße Männer.
Wie die Autorin, Carolin Ströbele anmerkt, würde wohl keine der Episoden von damals den berüchtigten Bechdel-Test bestehen. Um diesen Test zu bestehen, braucht es in einer Serie oder einem Film mindestens zwei Frauen („mit Namen“ – bedeutet: eine wichtigere Rolle), die miteinander über etwas anders sprechen, als einen Mann.
In Sex and the City nicht wirklich der Fall. Für die damals gehypte „Unabhängigkeit“ der vier New-Yorkerinnen sind Carrie, Miranda, Charlotte und Samantha aus heutiger Sicht wohl doch um einiges zu abhängig von Männern. Vor allem von dem Beziehungsstatus mit ihnen. Der exzessive Wunsch nach heteronormativer Partnerschaft, Hochzeit usw., das volle Klischeeprogramm schlechthin, sind heute natürlich kritisch zu betrachten.
Sex and the City – eine Kultserie im Brennpunkt
Dennoch hat dieser Serienklassiker, und eine der erfolgreichsten HBO-Serien überhaupt, an vielem gerüttelt, was damals für Durchschnitts-Frauen noch ein Tabu war. Über ihre Lust Bescheid zu wissen, diese zu benennen und vor allem deren Befriedigung anzustreben und auch einzufordern. Weiteres handelt Sex and the City auch von Frauen, die in einer Welt weißer Männer beruflich vorankommen (wollen) und ihre weibliche Freundschaft als eine neue Form von Familienmodell zelebrieren. Vier (weiße) Frauen, die in einer weißen Welt von weißen Männern ihren Weg gehen. Man mag es heute kaum glauben, aber damals war das wirklich was!
Der kulturelle Impact von Sex and the City war daher gewaltig. Eine ganze Reihe an Serien und Filmen mit anderen starken Frauen(themen) folgten und erzählten Geschichten aus einer rein weiblichen Perspektive. Unter anderem: Girls, Fleabag, I May Destroy You, Run the World oder Harlem. Klar waren und sind diese neuen Formate „besser“ als das „Original“, wobei das der Größe von Sex and the City keinen Abbruch tun sollte.
Für die damaligen Möglichkeiten – man bedenke nur wie beschränkt diese waren – hat die Serie von Michael Patrick King das Beste herausgeholt. Und man darf nie vergessen: das Ursprungs-iPhone ist heute ja auch um einiges schlechter als das neueste Modell. Man entwickelt sich schließlich weiter. Die Frage nun: hat sich Sex and the City auch weiterentwickelt?
Sex and the City – And Just Like That… eine Fortsetzung
Wie das bei allen herbeigesehnten und ewig auf sich warten lassenden Dingen so ist, wurde auch um And Just Like That viel Aufhebens gemacht. Vor allem die Verweigerung von Fanliebling Kim Cattrall, an der Fortsetzung mitzuwirken, und ihr ewiger Beef mit der Hauptdarstellerin und Produzentin Sarah Jessica Parker waren jahrelang das Thema in den Klatschspalten.
Und auch der (ernstzunehmenden) Kritik an der Ursprungsserie wollte man entgegenwirken bzw. entgegenkommen und versicherte, dass man die Serie ganz neu machen werde. Mit diverserem Cast und natürlich gesellschaftlich relevanteren Themen (wie z.B. Rassismus, die Corona-Pandemie, Geschlechteridentität, Schönheitsideal, Jugendwahn etc.).
And Just Like That… geht Sex and the City einfach weiter
Von einer Neuausrichtung kann bei And Just Like That jedoch gar nicht die Rede sein. Zu nostalgisch strebt man in den ersten beiden Folgen nach der Wiederholung desselben. Man lässt alte (aber auch eigentlich fast vergessene) Bekannte wieder auftreten und das fashionbewusste Stöckeln durch Manhattan geht 17 Jahre nach Ende von Sex and the City … And Just Like That… genauso munter weiter wie zuvor. Aktuelle Geschehnisse (wie z.B. die Corona-Pandemie) werden am Rande geschickt erwähnt. Zu einer reflektierten Vertiefung kommt es jedoch nicht.
Nichts Neues also… Aber ja, statt Kolumne macht Carrie Bradshaw jetzt auf Podcast und Instagram. Und doch hat man zu Beginn dieser Staffel nicht gerade das Gefühl, dass sich etwas verändert hat. Doch das ist auch ganz gut so! Man bekommt sozusagen das, was man all die Jahre so sehnsüchtig vermisst hat – Sex and the City, revisited.
Die Schauspielerinnen sind im Flow wie selten zuvor und die Gags sind durchaus gekonnt gesetzt. Wie man es gewohnt war, möchte man sagen. Es ist fast so, als wären keine 17 Jahre vergangen. Trotzdem gibt es zwei Faktoren, die man nicht einfach so wegleugnen kann – und das wunderbare an dieser Serie ist, dass es auch niemand wirklich tut.
Where is Samantha Jones!? – Damn we are sooo old
Man muss es zugeben, ob Fan der Serie oder nicht, den Produzenten (aber vermutlich hauptsächlich dem Creator und Regisseur Michael Patrick King) ist es gelungen, zwei nicht zu leugnende Veränderungen im Vergleich zu Sex and the City unmittelbar aufzugreifen und diese auch extrem geschickt in die Handlung zu implementieren.
Der erste Punkt, der alle interessiert hat ist: wo ist Samantha Jones? Oder besser noch: Was ist mit ihr passiert? Wir wussten ja alle im Vorfeld, dass die Schauspielerin, Kim Cattrall, die Samantha Jones gespielt hat, nicht mitmachen wollte. Doch wie geht die Serie selbst damit um? Schon zu Beginn erfährt man, dass aufgrund eines Streits mit Carrie, Samantha nach London „abgehauen“ ist.
Während Sarah Jessica Parker die Hintergründe erklärt, bekommt man das Gefühl, sie spricht insgeheim über den Streit, den die Schauspielerinnen im echten Leben hatten. Parallelen zum Real-life sind somit erlaubt. Das Spannende ist jedoch, dass Carrie immer noch versucht, mit Samantha in Kontakt zu kommen.
Als Fan hegt man da natürlich den Wunsch, der Beef im Vorfeld war nur Show und Samantha taucht im Laufe der Staffel wirklich noch irgendwann auf. Man ist vor allem deshalb dazu verleitet das anzunehmen, weil in der ersten Episode auch sonst so einiges passiert, dass man so wirklich nicht erwartet hätte. Die Produzierenden beweisen hier eindeutig Mut. Und statt die Dinge ihren zu erwartenden Lauf nehmen zu lassen, schlägt man schon in Folge eins eine unerwartete Richtung ein, die so wirklich niemand erwartet hat.
Nur noch im Trio „And Just Like That“ © 2021 WarnerMedia Direct/HBOMax
Aging – keine Angst vorm Altwerden
Ein weiterer spannender Punkt ist der, dass die Figuren bzw. die Schauspielerinnen älter geworden sind. (Logisch!) Doch im Vergleich zu anderen Serien, die so etwas ja gekonnt vertuschen bzw. überspielen würden, merkt man den Charakteren an, dass sie an Erfahrung gewonnen haben und eher auf eine amüsante Weise mit ihrem Alter umgehen.
Im Vergleich zu der Aging-Angst von Sex and the City ist dieser Ansatz sogar recht erfrischend. Statt Selbstmitleid gibt es hier also graue Haare und die Bekenntnisse zum wahren Alter. (Für eine populäre Serie vielleicht sogar eine kleine Revolution – aber nur eine kleine!) Klar hätte man, was das betrifft, thematisch noch etwas mehr in die Tiefe gehen könnte. Aber ganz ehrlich Leute, das ist die Fortsetzung von Sex and the City und nicht die Sternstunde Philosophie auf 3sat.
Diversität – And Just Like That… Das Scheitern an zu hohen Ansprüchen
Ein weiteres Problem ist vielleicht eines, dass man nicht so gut lösen konnte. In Sex and the City geht es um vier weiße Frauen aus der High Society New Yorks (sprich first world problems). Da man diesen Grundausgang jetzt aber nicht mehr ändern kann, lässt man die Figuren (hauptsächlich Miranda) in so einige Fettnäpfchen treten (vor allem was political correctnes betrifft).
Auch hat es den Anschein, als hätte man so viele people of colour & co wie nur möglich ins Drehbuch geschrieben (#queere, nonbinäre, mexikanisch-irische Diva), um zu den vier weißen Ladys eine Art „politisch korrektes Gegengewicht“ zu schaffen. Auch was das betrifft, bleibt die Serie oberflächlich. Einer tiefgründigeren Abhandlung, welchen Themas auch immer, verweigert man sich genauso gekonnt, wie noch vor 17 Jahren.
Fazit
Dafür, dass man viele Themen im Vorfeld so groß angekündigt hat (Rassismus, die Corona-Pandemie, Geschlechteridentität, Schönheitsideal, Jugendwahn etc.), widmet man sich diesen in den ersten zwei Folgen leider recht oberflächlich. Es gilt, diese halt irgendwie erwähnt zu haben, so scheint es. Diese Oberflächlichkeit mag einige verwundern. Aber so what? Was habt ihr denn bitte erwartet? And Just Like That ist eine Serie, die die Erwartungen durchaus übertrifft und von der vor allem die Fans von Sex and the City ganz bestimmt nicht enttäuscht sein werden. All jene, die sich mehr davon erwartet oder erhofft haben, als eine Fortsetzung zu sein, vielleicht schon. Doch es scheint fast so, als wäre diese Serie für Letztere ohnehin nicht produziert worden.
Titelbild © 2021 WarnerMedia Direct / HBO MAX
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