Unlängst verbreitete sich ein Begriff in den sozialen Medien, der näherer Betrachtung bedarf: People Pleasing. Was bedeutet dieses Phänomen und warum ist es problematisch?
People Pleasing: es immer allen recht machen wollen
Ständig danach zu streben, es anderen recht machen zu wollen, die eigenen Bedürfnisse in den Hintergrund stellen und Schwierigkeiten beim Aussprechen eines klaren Neins. Diese drei Verhaltensweisen werden seit neuestem unter dem Begriff „People Pleasing“ zusammengefasst.
Auf den sozialen Medien trifft dieses Phänomen auf eine breite Resonanz. Menschen, die ständig darauf bedacht sind, es anderen recht zu machen, werden dort als „People Pleaser“ bezeichnet bzw. outen sich viele eher selbst als solche – vermutlich um in einem trüben Mitleidspool nach einem virtuellen Schulterklopfer zu fischen, aber wir sind keine Soziolog*innen.
Diese Rechtmacher*innen erfreuen sich in ihrem sozialen Umfeld jedoch oft großer Beliebtheit, da sie stets freundlich und hilfsbereit sind. Negativ fallen sie kaum auf, da sie Konflikte meiden und großen Wert auf Harmonie legen. Ob es darum geht, spontan bei einem Umzug zu helfen oder kurzfristig einen geschäftlichen Termin zu übernehmen – ihre Antwort lautet immer „Ja“. Genau hier liegt jedoch das Problem. Auch wenn dieser Typ Mensch als durchwegs angenehm erscheint.
Toxische Beziehungen: eine Falle für People Pleaser
Bedauerlicherweise neigen jedoch genau diese Persönlichkeitstypen dazu, in toxische Beziehungen zu geraten, sich von narzisstischen Verhaltensweisen täuschen und emotional ausnutzen zu lassen. Das alles nur, weil sich People Pleaser ihrer eigenen Grenzen kaum bewusst sind und ihre eigenen Bedürfnisse vernachlässigen. Gleichzeitig sind sie schnell bereit zu verzeihen und tendieren dazu, Fehler häufig bei sich selbst zu suchen. Eine fatale Kombination.
Häufig entwickeln sich diese ungesunden Verhaltensmuster bereits in der Kindheit, wie Experten erklären. Personen, die in ihrer Vergangenheit gelernt haben, dass sie immer mehr geben müssen, als sie zurückbekommen, und dabei sogar lieblos behandelt werden können, neigen dazu, dieses Muster bis ins Erwachsenenalter beizubehalten.
Was extrem problematisch ist, denn wenn ich immer nur den Wünschen der anderen nachgebe, vernachlässige ich meine eigenen Bedürfnisse. Man hat als Mensch jedoch nicht endlos Zeit bzw. Energie. Als People Pleaser gibt man somit mehr her, als gut für einen ist. Dies führt zu einem Ungleichgewicht. Für die psychische Gesundheit ist es jedoch elementar, dass es ein Gleichgewicht gibt und man nicht immer nur gibt, sondern auch etwas bekommt.
Vernachlässigen wir unsere Bedürfnisse, wichtige Signale unseres Körpers und unserer Seele, steigt das Risiko für psychische Erkrankungen. Gerade selbstlose und verantwortungsbewusste Menschen sind häufiger von einem Burn-Out betroffen.
People Pleasing: die gesunde Nettigkeit
Nettsein ist natürlich nicht per se schlecht. Der italienische Soziologe und Ökonom Vilfredo Pareto (1848-1923) hat sogar ein Konzept der gesunden Nettigkeit formuliert. Gesunde Nettigkeit bedeutet: Es geht mindestens einem Beteiligten besser und keinem schlechter. „Wenn ich jemandem einen Gefallen tue und mir geht es mit diesem Gefallen gut, dann gibt es kein Problem“, erklärt der Karriereberater und Autor Martin Wehrle. „Aber: Wenn es mir danach schlecht geht, weil ich über meine Grenzen gegangen bin, weil ich müde bin – dann geht die Rechnung nicht auf.“
Diese Nettigkeit ins Ungesunde zu verklären, nur weil angenommen wird, dass man so gemocht wird, ist dabei sogar doppelt schlecht. Erstens verspielt man damit seine psychische Gesundheit. Zweitens, zeigen Studienergebnisse, sind nette und freundliche Menschen meistens eher unbeliebt. Drittens (so viel zum doppelt!): Sie haben weniger Kohle.
Ein Grund: Die weniger Netten fühlen sich durch die Netten unter Druck gesetzt. Darüber hinaus wird netten Menschen eher unterstellt, dass sie eine heimliche Agenda hätten – also ihre Nettigkeit einsetzen, etwa um im Beruf voranzukommen.
Das sind alles ganz lustige Erkenntnisse, vor allem deshalb, weil People Pleaser auch im Beruf viel mehr Arbeit aufgeladen bekommen, als die weniger netten Kollegen. Dies forciert auch den Erwartungsdruck, denn, wer öfter Aufgaben abnimmt, bekommt auch immer mehr aufgeladen. So viel zum Thema Burn Out.
Exkurs: das Männer pleasing Cool Girl
Wenn man in den Themenbereich des People Pleasing noch das Sex- und Gender-Thema integrieren will, dann wird es erst richtig interessant. Wir alle kennen den Begriff des Cool Girl. Männer Lieben diesen Typ Frau, so heißt es.
Warum? Das Cool Girl ist locker, easy, stellt keine Fragen, widerspricht nicht und wird nie wütend. Ohne zu zögern, macht sie jeden Scheiß mit. Problematisch dabei: der Scheiß, den sie mitmacht ist im Grunde toxisch männlich und das Cool Girl eine People Pleaserin der ärgsten Sorte. Vielleicht sollte man hier sogar auf den Begriff Men Pleaser zurückgreifen.
Die sogenannte weibliche Coolness des Cool Girl bezieht sich nämlich ausschließlich auf die Anpassung an typische männliche Verhaltensweisen. (Biertrinken usw.) Das Cool Girl ist im Grunde nur deshalb (für Männer) so cool, weil sie eine People bzw. Men Pleaserin ist, die vermutlich ihre Grenzen nicht kennt und sich in eine toxische Spirale der Abhängigkeit begibt.
People Pleasing: ein Fazit
Die gute Nachricht: Die Zeiten haben sich geändert. Empowerment. Selbstbestimmung. Unabhängigkeit. Das heißt aber nicht, dass der Weg aus dem People Pleasing leichtfällt. Das Zauberwort lautet: Abgrenzung. Man sollte die eigenen Bedürfnisse im Blick haben und mit einem „Nein“ die Bremse ziehen, wenn die Grenzen überschritten werden.
Das muss man üben, immer wieder. Am besten, man nimmt sich für jede Bitte, die an einen herangetragen wird eine Bedenkzeit und wägt ab, ob ein Nachkommen auch nicht überfordert. Darauf zu achten, wie es anderen geht und hilfsbereit zu sein, das sind an sich wunderbare Eigenschaften. Aber nur, solange wir uns dabei nicht selbst vergessen und uns Nettsein und Zuvorkommenheit nicht überfordern und an unsere Grenzen treibt.
Titelbild © Shutterstock
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