Ist Geld die wichtigste Sache in unserer der Welt? Geht es nach unserem wirtschaftlichen Klassensystem, dann lautet die Antwort: Ja! Dein Einkommen oder das zu dir zur Verfügung stehende Kapital bestimmt schlussendlich dein komplettes Leben. Deine Zeiteinteilung, deine Kleidung, deine Freunde, deine Wohnung und all der andere Kram hängen davon ab, wie viel Geld dir am Anfang und am Ende eines jeden Monats zur Verfügung steht. Und was wesentlicher ist, Geld bestimmt ebenso deinen sozialen Status. Also die Art, wie du schlussendlich von anderen behandelt wirst.
Geld & das soziale Miteinander
Dabei geht es um Nuancen in den zwischenmenschlichen Beziehungen, welche im Endeffekt die soziale Hierarchie mitformen. Sie vermitteln so die soziale Distanz zwischen Menschen in unterschiedlichen Machtgefällen. Diese Distanz geht über den Bereich der zwischenmenschlichen Interaktion hinaus und trägt immer mehr zur zunehmenden Ungleichheit in unserer Gesellschaft bei.
Forscher*innen konnten feststellen, dass Menschen mit höherem sozialem Status weniger Aufmerksamkeit für diejenigen haben, die weniger Macht haben. Dies wurde sogar bei einer kurzen Begegnung von nur fünf Minuten beobachtet. Menschen mit höherem Status neigen dazu, durch Gesten wie Gesichtsausdrücke oder Unterbrechungen ihre Missachtung zu zeigen und das Gespräch zu dominieren. Doch wie kann man diese einzementierten sozialen Regeln aufbrechen? Und was ist mit all denen, die bereits einen verdorbenen Charakter haben, ohne wirklich reich zu sein?
Studienergebnisse bestätigen Klischee
Die Studie „Social Class and the Motivational Relevance of Other Human Beings: Evidence From Visual Attention bestehend aus drei Teilstudien untersuchte den Zusammenhang zwischen sozialer Klasse und visueller Aufmerksamkeit für andere Menschen. Die Ergebnisse zeigten, dass Personen mit höherem sozialem Status weniger visuelle Aufmerksamkeit für andere Menschen aufbrachten als Personen mit niedrigerem Status. In den Ergebnissen konnte bereits 2016 nachgewiesen werden, dass die soziale Klasse einer Person ihre Einschätzungen der Relevanz anderer beeinflusst.
Quelle: Studie – „Social Class and the Motivational Relevance of Other Human Beings“
Also die Einschätzung, ob eine andere Person bedrohlich oder als anderweitig beachtenswert angesehen wird. Drei unabhängige Studien deuteten dabei an, dass sich soziale Klassen durch die Menge der Aufmerksamkeit unterscheiden, die ihre Mitglieder anderen Menschen schenken.
In der ersten Studie wurden Sensoren eingesetzt, um die Blickfelder von Fußgänger*innen auf städtischen Straßen zu filmen. Sozial höher gestellte Teilnehmer*innen schauten weniger auf andere Menschen als niedriger gestellte Teilnehmer*innen.
In den Studien 2a und 2b wurden dann die Augenbewegungen der Teilnehmer*innen verfolgt, während sie Straßenszenen betrachteten. Eine höhere soziale Klasse wurde mit einer geringeren Aufmerksamkeit für Menschen auf den Bildern assoziiert.
In der dritten Studie wurde ein Change-Detection-Verfahren eingesetzt, um das Ausmaß zu bewerten, in dem menschliche Gesichter spontan visuelle Aufmerksamkeit erregten. Das Change-Detection-Verfahren ist eine Methode, die verwendet wird, um zu bestimmen, ob ein Individuum eine Veränderung in einer Szene wahrnimmt.
Geld bestimmt soziale Macht und fehlenden Chancengleichheit
Das Phänomen der sozialen Abwertungen hat schlussendlich Auswirkungen auf die öffentliche Ordnung. Es ist jedoch wichtig, dabei zu betonen, dass soziale Macht in jeder Gesellschaft relativ ist und sich in verschiedenen Situationen ändern kann. Grundsätzlich beginnt aber Empathie damit, dass man einer Person Aufmerksamkeit schenkt.
Forschende haben herausgefunden, dass Menschen mit höherem Status weniger mitfühlend auf Schwierigkeiten reagieren, gerade dann, wenn diese von weniger mächtigen Personen beschrieben werden. Denn eine grundlegende Voraussetzung für Empathie ist, dass man sich auf die Situation des anderen einlässt und ihm Gehör schenkt.
Dabei geht es im Grunde darum zu verstehen, wie soziale Macht unsere zwischenmenschlichen Beziehungen beeinflusst und die Ungleichheit in unserer Gesellschaft verstärken kann. In der öffentlichen Debatte werden diese zwischenmenschlichen Interaktionen häufig als „Sympathie“ kommuniziert und lapidar auf die Seite gewischt. Parallel dazu gibt es eine gesellschaftliche Dauerbeschallung, die bereits kleinen Kinder Chancengleichheit in einer zutiefst unfairen Welt vorgaukelt. Das auseinanderdriftende Gefühl zwischen Außenkommunikation und wahrgenommener Abwertung führt aber zu immer deutlicheren gesellschaftlichen Verwerfungen. Denn „Sei du Selbst!“ funktioniert in einer Welt, in der dein sozialer Status von deinem Einkommen abhängt, einfach nicht.
Solidarität als Notwendigkeit
Dacher Keltner, ein Professor für Psychologie an der Universität Berkeley, und Michael W. Kraus, ein Assistenzprofessor für Psychologie an der University of Illinois, haben bereits vor Jahren umfangreiche Forschungen zum Thema soziale Macht und Aufmerksamkeitsdefizit durchgeführt.
Aus ihrer Forschungsarbeit ging damals hervor, dass wir uns im Allgemeinen auf diejenigen konzentrieren, die wir am meisten schätzen und brauchen. Während vermögende Menschen Hilfe anheuern können, schätzen Menschen mit geringerem materiellem Vermögen ihr soziales Kapital mehr. Wie zum Beispiel den Nachbarn, der auf ihr Kind aufpasst, bis sie von der Arbeit nach Hause kommen. Die Unterschiede im finanziellen Status führen letztlich zu unterschiedlichen Verhalten. Arme Menschen sind auf zwischenmenschliche Beziehungen besser eingestellt – sowohl mit Gleichgestellten als auch mit mächtigeren Personen – weil sie es müssen.
Geld & Einkommen als Indikator für Sympathie
Die Forschungsergebnisse zeigen nicht nur grundsätzlich, dass arme Menschen, im Vergleich zu wohlhabenden Menschen, größere Aufmerksamkeit für zwischenmenschliche Beziehungen haben, weil es für sie überlebensnotwendig ist. Sondern auch, dass diejenigen mit höherem Einkommen und Status denen mit geringeren Einkommen besonders wenig Aufmerksamkeit schenken. Selbst ihr Einsatz für ihresgleichen, also ebenfalls wohlhabende Menschen, hält sich in Grenzen, da keine Notwendigkeit besteht. Kurz zusammengefasst: Je mehr ich mich auf mein Geld verlassen kann, umso weniger muss ich mich auf andere Menschen verlassen.
Dies hat tiefgreifende Auswirkungen auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Ein Miteinander wird dadurch nicht mehr als notwendig empfunden, was dazu führt, dass egoistisches Verhalten zur Norm wird. Ebenso beeinflusst es in Wechselwirkung das Einfühlungsvermögen und die Fähigkeit, sich auf die Bedürfnisse und Gefühle anderer einzustellen. Was wiederum zu weniger Empathie, Verständnis, Anteilnahme und mitfühlendem Handeln führen kann.
Manifestierung des Egoismus
Soziale Ungleichheiten können also dazu führen, dass wir uns auf kleine Unterschiede zwischen Gruppen mehr konzentrieren und auf diesem Weg andere kritisieren, während wir uns selbst in einem besseren Licht darstellen. Freud bezeichnete dieses Phänomen auch als „Narzissmus der kleinen Unterschiede“.
Ein Vorgang, der auch bei der Abwertung sozial Schwächerer beobachtet werden kann. Die Abwertungen gegenüber der sozial schwächeren Gruppe können sich dann eben in Verachtung manifestieren. Dies drückt sich dann in Vorurteilen und Klischees aus, die das eigene egoistische Verhalten rechtfertigen.
Im Gegensatz dazu können umfangreiche zwischenmenschliche Kontakte Vorurteile abbauen, indem sie es Menschen aus verfeindeten Gruppen ermöglichen, sich als Individuen und sogar als Freunde kennenzulernen. Thomas F. Pettigrew ein Forschungsprofessor für Sozialpsychologie an der University of California, hat mehr als 500 Studien zum Kontakt zwischen Gruppen analysiert.
Dabei konnte er feststellen, dass Personen, die enge Freunde innerhalb einer anderen Gruppe haben, wenig oder keine Vorurteile gegenüber dieser Gruppe zeigen. Sie erkennen, dass diese „anderen“ Menschen genauso vielfältig sind wie sie selbst. Ob solche freundschaftlichen Kontakte auch dazu beitragen können, die Kluft zwischen denjenigen mit mehr und weniger sozialer und wirtschaftlicher Macht zu überwinden, wurde nicht untersucht.
Geld spaltet unsere Gesellschaft
In den vergangenen Jahrzehnten ist die Kluft zwischen den Reichen und allen anderen immer größer geworden und die Einkommensungleichheit hat den höchsten Stand seit einem Jahrhundert erreicht. Tendenz steigend! Die Krisen der letzten Jahre haben dabei den Effekt beschleunigt. Während immer mehr Menschen in die Armut abrutschen, ist die Zahl der Superreichen um ein Vielfaches gestiegen.
Doch neben den finanziellen Ungerechtigkeiten ist vordergründig eine Sache besorgniserregend. Immer mehr Menschen verlieren ihre Fähigkeit, sich in die Lage einer weniger begünstigten Person hineinzuversetzen. Die Verringerung der wirtschaftlichen Kluft kann aber unmöglich gelingen, ohne auch die Defizite in der Empathie anzugehen.
Es ist wichtig, dass wir uns wieder bewusst machen, wie soziale Abstände dazu führen können, dass wir uns auf die Unterschiede konzentrieren und die Gemeinsamkeiten übersehen. Wir sollten uns daher bemühen, unsere Vorurteile abzubauen und uns auf zwischenmenschliche Kontakte konzentrieren, um eine gerechte und empathische Gesellschaft zu schaffen.
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