Während sich Männer schon recht früh mit ihrer eigenen Sexualität auseinandersetzen, ist die weibliche Sexualität mit Schamgefühlen besetzt. Das Ideal der „heiligen Jungfrau“ schwebt über den mittlerweile eigentlich selbstbestimmten Frauen, während das männliche Geschlecht offen über Masturbation, Sex und auch die Anzahl der Sexpartner*innen spricht. Warum ist das so? Vier Frauen brechen ihr Schweigen über ihre Hemmungen, Ängste und negativen sexuellen Erfahrungen und sprechen aus, was man über Frauen und Sex wissen sollte.
Mia* ist 23 Jahre alt und mittlerweile in einer glücklichen und auch sexuell erfüllten Beziehung. Das war jedoch nicht immer so. Während männliche Klassenkollegen offen über Pornos, Masturbation und Co. sprachen, war das Thema zwischen ihren Freundinnen ein Tabu.
„Als ich in die Pubertät kam, hab‘ ich mich nie getraut, obwohl ich wusste, dass ich das niemandem erzählen muss. Ich hab‘ erst mit 15 angefangen, manchmal zu masturbieren. Aber damals hab‘ ich mir schon gedacht, dass es die Jungs viel einfacher mit diesem Thema haben.“, erzählt die 23-Jährige. Ihre Freundinnen führten bereits Beziehungen und sammelten erste sexuelle Erfahrungen. Dennoch sprach keine von ihnen darüber, ob sie auch wirklich glücklich mit ihrem Sexleben wären.
„Das Thema Masturbation war immer ein Männerding“
Dieselbe Erfahrung erlebte auch Sarah*. Mit 13 Jahren befasste sie sich erstmals mit ihrer eigenen Sexualität. Dabei stellte sie aber schnell fest, dass diese im Vergleich zu männlicher Masturbation tabuisiert wurde.
„Das Thema Masturbation war immer ein Männerding, es wurde nie darüber geredet, dass Frauen bzw. Mädchen das auch tun. Und wenn, dann war es immer abwertend gemeint, wie etwa, dass Frauen versaut oder sogar Schlampen wären. Deswegen habe ich auch mit niemandem darüber gesprochen. Nicht einmal mit meinen Freundinnen. Ich wollte nicht, dass sie etwas Schlechtes über mich denken.“
Tabu im eigenen Freundeskreis
Mittlerweile sprechen Mia und auch Sarah in ihren Freundeskreisen sehr offen über Sex. „Ich finde es so wichtig, diese Tabuisierung zu lösen. Sexualität ist etwas, was uns gehört und darüber sollten wir auch die Macht haben. Kommunikation ist so wichtig, das merke ich auch in meiner jetzigen Beziehung. Ich sage offen und klar, was ich will und wie es mir damit geht. Deswegen rede ich auch mit meinen Freundinnen über unsere Erfahrungen.“, erzählt Mia.
Auch Sarah fällt es mittlerweile wesentlich leichter, über ihre Sexualität zu sprechen. Das schreibt sie allerdings auch einem neuen Freundeskreis zu, in dem weibliche Masturbation kein Tabuthema ist.
Consensual sex
Viele Frauen schaffen es in heiklen Situationen nicht, ihre eigenen Grenzen zu verteidigen. Sei es bei fremden Menschen oder gar beim Sex mit dem eigenen Partner. Schon in der Schule lernen die meisten Kinder nicht, was „consensual sex“ wirklich heißt.
Mia kam öfter in Situationen, in denen sie sich zu etwas genötigt fühlte, das sie gar nicht tun wollte. Erst durch ihre jetzige Beziehung hat sie gelernt, was einvernehmlicher Sex bedeutet. „Ich dachte immer, ich muss bei allem mitmachen und „ja“ sagen, weil sonst bin ich eine Spielverderberin und nicht so gut im Bett.“ Wenn Frauen untereinander und auch mit ihrem Partner mehr über Sex sprechen, würde das solche Situationen minimieren.
„Er hat mir auf die Brüste gegriffen und ich war in so einem Rausch, dass ich kurz mitgemacht hab‘, obwohl ich nicht wollte.“
Ähnliches erlebte Sarah. Der 23-Jährigen fiel es schwer, „Nein“ zu sagen, weil es ihr unhöflich vorkam oder weil sie Angst vor den Konsequenzen hatte.
„Ich war einmal auf einer LGBTQ-Party mit meinem besten Freund und hab‘ dort mit so einem Typen geredet. Zuerst dachte ich, er wäre schwul. Er hat mich dann gefragt, ob meine Begleitung mein fester Freund wäre. Als ich verneinte, hat er mich auf einmal abgeschmust und mich auch ziemlich begrabscht. Er hat mir auf die Brüste gegriffen und ich war in so einem Rausch, dass ich kurz mitgemacht hab‘, obwohl ich nicht wollte. Ich hab dann gesagt, dass ich auf’s WC muss. Dort musste ich dann weinen, weil ich mich so grauslich gefühlt habe.“
Chronische Orgasmuslosigkeit und der Orgasm Gap
Das Resultat eines erfüllten Sexuallebens ist für die meisten Menschen – egal ob weiblich oder männlich – ein Orgasmus. Dass Frauen dieses Gefühl beim Sex seltener erfahren, ist mittlerweile kein Geheimnis mehr. Während 95% der heterosexuellen Männer beim Geschlechtsverkehr einen Höhepunkt erleben, trifft dies nur auf 65% der heterosexuellen Frauen zu. Und diese Zahl ist schon sehr großzügig bemessen.
Das Phänomen wird auch „Orgasm Gap“ genannt. Aber nicht immer sind die Partner an der Orgasmuslosigkeit Schuld. Ein Problem ist häufig mangelnde Kommunikation, die natürlich wiederum auf der Stigmatisierung der weiblichen Sexualität beruht. Wie soll Frau sich trauen, über ihre Bedürfnisse zu sprechen, wenn sie sich insgeheim schuldig oder gar schmutzig fühlt?
Kathi* hatte noch nie einen Orgasmus. Weder mit ihrem Partner, noch alleine. Die meisten würden wahrscheinlich eine sexuelle oder familiäre Traumatisierung vermuten. Doch die 24-Jährige hat weder ein nachweislich anatomisches Problem, noch sonstige Hemmungen, die aufgrund negativer Erfahrungen entstanden sein könnten.
„Ich habe regelmäßig Sex und auch sehr viel Spaß dabei. Warum ich keinen Orgasmus bekomme, weiß ich bis heute nicht, aber das stört mich selbst deutlich mehr als meine bisherigen Männer.“, erklärt Kathi. Außerdem habe sie schon alles versucht, von Toys über Alkohol und nichts davon brachte den gewünschten Erfolg. Kathi vertraute sich ihrer Frauenärztin an, die ihr riet, sich mehr zu entspannen. Scheinbar ist Kathi auch kein Einzelfall, denn mehrere Patientinnen klagten bereits über das gleiche Problem.
Schmerzen beim Sex – auch deshalb sollten Frauen mehr über Sex sprechen
Von einem Höhepunkt war Lea* lange Zeit weit entfernt. Sie konnte sich glücklich schätzen, wenn der Sex überhaupt schmerzfrei war. In ihrer ersten Beziehung, die zwei Jahre andauerte, konnte sie die Male an zwei Händen abzählen.
Die mittlerweile 24-Jährige fürchtete sich vor jedem weiteren Mal penetrativem Geschlechtsverkehr. Vaginismus und sonstige anatomische Einschränkungen wurden durch ihre Frauenärztin ausgeschlossen. Wieder wurde nur zur Entspannung geraten, obwohl der Schmerz eher einem Messerstich glich anstatt einer Verspannung.
Schätzungsweise leiden etwa 10% der Frauen unter Schmerzen beim Sex. Dabei handelt es sich also nicht um ein Einzelschicksal, dennoch wird auch diesem Thema zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Problematisch war auch für Lea, dass sie sich niemandem anvertrauen konnte. Weder ihre Freundinnen, noch weibliche Familienmitglieder waren geeignete Ansprechpartnerinnen. Vor allem auch deshalb, weil Sex in ihrer Familie nahezu tabuisiert wurde und dieser als keine Angelegenheit galt, die man vor der Ehe erlebt.
In Sachen Sex braucht es für die weibliche Entfaltung eine Enttabuisierung des Themas. Nicht nur von Männerseite, sondern auch unter Frauen sollte ein offenerer Diskurs möglich sein, statt erneut neue Tabus zu erschaffen. Nicht umsonst stellt erst das steigende Alter für viele Frauen den Eintritt in ein erfülltes Sexleben dar. Doch muss dies nicht erst mit 30+ beginnen – die Akzeptanz der weiblichen Sexualität vom Teenie-Alter weg würde schon viele Probleme lösen.
*Die Namen wurden von der Redaktion geändert.
Titelbild Credits: Shutterstock
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