Das journalistische Kollektiv STRG_F ist für seine investigativen Dokumentationen gut bekannt. Diesmal nimmt man uns mit auf eine Reise nach Spanien. Hier tauchen die Journalisten in die Welt der Weed-Mafia und des organisierten Verbrechens ein. Wir bekommen Einblicke in die Arbeit der spanischen Polizei, aber auch vermeintliche Interviews mit Drogendealern, Anwälten der Drogenbosse und Personen aus dem Geschäft zu sehen. Die Journalisten versuchen, ein Bewusstsein für die rasante Ausbreitung der organisierten Kriminalität auch im Weed Segment zu generieren.
Der Untertitel der Doku, „Wie blutig ist unser Gras?“, appelliert dabei an das Gewissen der Konsument*innen. Denn vielen ist nicht bewusst, dass hinter ihren Drogen, egal ob Koks oder Weed, oft international agierende kriminelle Organisationen stehen. Doch wurden Drogen nicht schon seit Anbeginn der Menschheit gehandelt? Und leben wir nicht in einer Welt, die allgemein von Konzernen regiert wird? Was genau ist also das Gefährliche an den internationalen Drogenkonzernen, die dafür sorgen, dass das Weed in unser Tütchen kommt?
STRG_F Journalist Jonas live vor Ort
Dramatische Musik wird im Hintergrund eingespielt, während Jonas mit ernstem Blick in der Dunkelheit vor dem Lenkrad seines Wagens sitzt. Im Hintergrund erklärt seine Stimme, dass er nun unterwegs sei, um die Polizei bei einer Razzia zu begleiten. Für den Einstieg nimmt uns das Kollektiv direkt mit an den Ort des Geschehens. Denn Jonas ist für die gesamte Dokumentation in Spanien unterwegs. Dabei unterhält er sich mit der Polizei, einem Anwalt, aber auch mit vermeintlichen Kriminellen, die zu ihrem Schutz die obligatorische Guy-Fawks-Maske tragen. Warum tragen eigentlich ALLE Dealer*innen immer diese Guy-Fawks-Maske, wenn sie anonym Interviews geben?
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Die Polizei bereitet sich auf die Erstürmung des Hauses des Verdächtigen vor. Und auch wenn bei dieser einen Razzia nichts außer ein paar Tütchen mit Proben gefunden werden können, wird die Dramatik des Problems so grell es geht beleuchtet. Das Geschäft wird offensichtlich immer blutiger, da immer größere und immer mehr international vernetzte Organisationen um den Markt konkurrieren.
Für die Polizei sind die Dealer die Schuldigen. Auch wenn die Beamten ganz genau wissen, dass sie gegen eine Flut ankämpfen, die sie nicht stoppen werden. Dennoch probieren sie, so gut es geht durchzugreifen. Dass sie mit ihren Methoden bis jetzt den Handel nicht stoppen konnten und auch nicht stoppen werden, scheint sie dabei nicht weiter zu stören.
Die Beamten, die sich aber mit der Weed-Mafia direkt näher auseinandersetzten, scheinen das bereits verstanden zu haben, wie sie an manchen reflektierten Momenten in den Interviews durchblicken lassen. STRG_F versucht hier aber ebenfalls die Konsument*innen in die Pflicht zu nehmen.
Ist Konsumenten das Problem nicht bewusst oder einfach egal?
Unser journalistischer Protagonist Jonas geht mit einem reinen Herz an die Sache, um uns so unverfälscht wie nur möglich alle Eindrücke aus dem blutigen Geschäft mit dem Weed weiterzugeben. Die Interviews sind dabei meist locker gehalten. Den Befragten wird viel Raum eingeräumt, ihre Sicht auf die Ereignisse und die rasant steigende organisierte Kriminalität darzulegen.
Für uns als Zuseher*innen bleibt nicht allzu viel Raum, unsere eigenen Schlüsse zu ziehen. Das Problem und die Schuldigen werden direkt präsentiert. Doch was ist die Lösung?
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Die Doku verfolgt dabei ein eindeutiges Narrativ: Die Menschen sind naiv und haben oftmals keine Ahnung, wo ihre Drogen herkommen. Oftmals ist ihnen nicht bewusst, dass auch hinter ihrem Weed internationale organisierte Kriminelle und ein blutiges Geschäft stecken. Die Polizei wird als bemüht, aber tendenziell überfordert dargestellt. Die üblichen Pannen und Hoppalas gehören da bei der Polizeiarbeit wie gewohnt dazu. Da wird dann schon mal der Hauptverdächtige nicht angetroffen und stattdessen ein kleines Helferlein Hops genommen.
Aufstieg der Weed-Mafia
Die Dokumentation greift im Grunde Berichte auf, die man in den vergangenen Jahren immer öfter wahrnimmt. Es scheint Fakt zu sein, dass der internationale Drogenhandel seit einigen Jahren einen rasanten Aufschwung erlebt. Resultierend aus den Wirtschaftskrisen und etlichen weiteren Problemen in den letzten Jahrzehnten sind viele verzweifelte Menschen in der Drogenkriminalität gelandet. Spanien ist dabei keine Ausnahme, sondern eher ein negatives Vorzeigemodell. Denn gerade hier haben viele Menschen mit nicht mehr leistbaren Lebenskosten zu kämpfen.
Die Armut und die Kluft, die zwischen Arm und Reich stets größer wird, sorgen dafür, dass aus Weed-Handel, die Weed-Mafia entstanden ist. Parallel dazu konkurrieren immer mehr Banden um den Markt. Diesen Zustand weiß sich die Waffenlobby ebenso geschickt zunutze zu machen. Denn die Drogen können die Dealer selber anbauen und verschiffen, ihre Waffen müssen sie aber ebenfalls bei international agierenden Waffenhändlern kaufen.
Das Geschäft mit dem Weed galt lange Zeit als gewalt- und Mafia-frei. Doch mittlerweile hat sich auch das geändert. Denn anhaltende Repression in der Gesetzeslage sowie eine völlig verfehlte Law-and-Order-Mentalität der Strafverfolgungsbehörden haben das Problem zusätzlich aufgebauscht. Gerade was den Weed-Handel von Spanien nach Deutschland und Mitteleuropa angeht, haben sich Akteure breitgemacht, die mit ganz neuen Größenordnungen jonglieren.
In diesem Spannungsfeld versucht Jonas einen so neutralen Blick, wie nur möglich, zu bekommen. Phasenweise gelingt das großartig, an manchen Stellen driftet die Doku jedoch zu sehr in die gespielte Dramatik ab. Es kann doch niemand im Jahr 2023 tatsächlich darüber verwundert sein, dass es so etwas wie eine internationale Weed-Mafia gibt? Mit Waffen, Schnellbooten, Anwälten, Kampfhunden und teuren Luxus-Anwesen.
Aber vielleicht rüttelt das auch den ein oder anderen kiffenden Hippie Yogalehrer aus Berlin-Mitte wach, der bis jetzt dachte, dass sein Weed von Friedenstauben in die geschäftigen Metropolen des Westens geflogen wird!
Weed-Mafia: Hintergründe werden in der Doku nur teilweise beleuchtet
In der Dokumentation gelingt es Jonas und dem Journalistenteam von Steuerung F sehr gut, zahlreiche Blickwinkel zu präsentieren. Wir sehen kleine Dealer, mittlere Dealer und einen Anwalt, der richtig große Fischen vertritt. Jedoch ist der Tenor stehts derselbe: Es ist alles viel heftiger, als sich der normale Durchschnittsbürger überhaupt vorstellen kann!
Es wird zwar ein anderer Ton gewählt als in der Bild-Zeitung oder bei uns in der Kronen Zeitung, jedoch schlägt die Dokumentation schlussendlich in dieselbe alarmistische Kerbe. Waffen, riesige Mengen an Drogen, Speedboot-Verfolgungsjagden, Polizisten mit Hundestaffeln, schmierige Kriminelle und alles, was eben für eine gute Folge Narcos dazugehört.
Die gesellschaftlichen Verhältnisse werden dabei etwas dünn beleuchtet. Die Zugehörigkeit der Banden, wie sie sich bilden und wie mafiöse Strukturen überhaupt entstehen und wie sie solche Größen erreichen können, darüber bekommen wir als Zuseher*innen nur ein paar Informationen.
Die Verhältnisse, welche die Dealer und die Menschen umgeben, die schlussendlich auf eine sehr anstrengende und erschöpfende Art und Weise ihren Lebensunterhalt verdienen müssen, um das Weed zu uns zu schmuggeln, kommt in der Dokumentation leider etwas zu kurz. Man erfährt jedoch viel über Spaniens fragwürdigen Aufstieg zu einem der Haupt-Weed-Exporteure für den europäischen Markt. Ebenso, dass Spanien als Transitland für etliche Drogenrouten auf dem Weg in reichen Industrienationen dient.
Ähnliches schon gesehen
Den Rest hat man so oder so ähnlich woanders schon gesehen. Dennoch gelingt es STRG_F mit der einstündigen YouTube Doku „Weed-Mafia: Wie blutig ist unser Gras?“ Einen relativ guten Gesamtblick auf den spanischen Gras-Markt zu werfen. Das Publikum bekommt dabei einen besonderen Einblick auf die immer stärker voranschreitende Professionalisierung mafiöser Strukturen in der Kriminalität. Und das auch schon beim Schmuggeln von Weed.
Menschen, die bis jetzt nichts darüber wussten, werden nach der Dokumentation womöglich ihr Gras mit einem anderen Blick sehen. Vorausgesetzt vermutlich, das Weed kommt von einem internationalen Dealer und nicht von einem Nachbar, der heimlich im Keller drei Weed-Pflanzen stehen hat. Auf alle anderen wirkt die Doku eher wie eine europäisierte deutsche Version einer Vice-Narcos-Doku.
Dennoch bleiben der investigative Ansatz und die Dokumentation an sich eine Empfehlung. Denn STRG_F — hier auftretend in Form ihres Journalisten Jonas — versuchen in die Materie hineinzugehen und vor Ort mit den Menschen zu sprechen. Auch wenn vieles noch etwas zu passiv abläuft, ist das zumindest schon ein guter Ansatz, um in Berührung mit dem Thema zu kommen. Die Weed-Mafia-Doku könnt ihr auf YouTube gratis sehen. Für alle, die sich für das Thema der organisierten Kriminalität interessieren, ist sie sicher ein sehenswerter Hingucker für zwischendurch.
Titelbild © Shutterstock
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