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Host a Sackerl für mein Ga… äh Tampon? Einwegplastikhandschuhe mit pinken Glitzerdesign. Damit Frau ihre benutzten Periodenprodukte nicht mit der Hand angreifen muss und beim Entsorgen die vollgebluteten Binden und Tampons gleich blickdicht und diskret entsorgen kann. Um 14,99 € kann man sich einen 60er-Pack Hygienehandschuhe von Pinky Gloves kaufen. Wieder einmal eine Erfindung, nach der niemand gefragt hat und die auf Social Media für viel Furore sorgt.
Menstruierende sind es gewohnt, sich für ihr Regelblut schämen zu müssen. Periodenprodukte werden mit einer blauen Flüssigkeit anstatt mit Blut beworben. Man spricht von der „Erdbeerwoche“ anstatt zu sagen, dass man seine Periode hat und versteckt seine Tampons als wären es Drogen. Über Menstruation gehört es sich nicht zu reden – vor allem wenn cis Männer anwesend sind. Dafür ist man als Person, die ihre Regel hat, von Aussagen wie „Wieso bist du so schlecht drauf? Hast du etwa deine Tage?“ betroffen.
Außerdem: Rund 21.700 € zahlen Menstruierende durchschnittlich im Laufe ihres Lebens für Periodenprodukte. Um es zusammenzufassen: Personen, die menstruieren, haben es in unserer Gesellschaft schwer. Das Thema wird totgeschwiegen und tabuisiert und ist voll von Vorurteilen. Während es immer mehr Aktivist*innen gibt, die sich für die Entstigmatisierung von Perioden einsetzen, stellen sich Eugen und André, die Gründer von Pinky Gloves, quer und gehen mit ihrem Produkt wieder einen Schritt in Richtung Mittelalter.
ich entwickel jetzt einen handschuh (farbe: offen für vorschläge) den man typen über den kopf ziehen kann damit sie die schnute halten einfach so wer will investieren
— prof. salon sarer (@ajkozissou) April 13, 2021
Das Problem mit Pinky Gloves
Warum ist diese „Erfindung“ eigentlich so problematisch? In der deutscher Fernsehsendung „Die Höhle der Löwen“ geht es darum, mit Geschäftsideen eine Jury an Investor*innen zu überzeugen. In dieser Sendung bekamen auch die selbsternannten „Frauenversteher“ André und Eugen mit ihrem Start Up Pinky Gloves eine finanzielle Unterstützung von 30.000 €. Das sorgte für viel Kritik.
Zum Beispiel deshalb, weil das Produkt sehr umweltschädlich ist. Zudem ist das Design und der Name der Marke außerdem besonders stereotypisierend und viel zu teuer. Normale Plastikeinweghandschuhe kosten beispielsweise zirka drei Euro pro Hundert Stück, haben dafür kein rosa Design. Der Preis von Pinky Gloves beträgt 14,99 € für Sechzig Stück. Besonders problematisch jedoch ist die Vermarktung des Produkts, insbesondere auf Social Media. Es wird immer wieder erwähnt, wie hygienisch und diskret Pinky Gloves nicht seien. Diese Aussagen stellen somit Perioden als etwas Ekelhaftes, Peinliches und Unhygienisches dar.
„Um es ehrlich zu sagen, als männliche Mitbewohner waren wir beim Blick in den Badezimmereimer ein wenig … sagen wir „verwundert“.“, erzählte Eugen, einer der Gründer in der Caption eines Instagrampostings über seine Erfahrung mit den Mistkübeln in WGs mit Mitbewohnerinnen.
„Rückschritt in eine andere Zeit“
Mindestens genauso verwundert wie Eugen ist die deutsche Journalistin und Unternehmerin Rena Föhr. Durch ihre Arbeit auf Instagram und ihrer Website Chica Con Ciclo leistet sie feministische Aufklärungsarbeit in Punkto weiblicher Zyklus und seiner Enttabuisierung: „Ich bin in meinem Leben schon viel gereist, habe in WGs gewohnt und auf Festivals gezeltet. Nie habe ich diese Art von Handschuh vermisst.“, so Rena.
Doch das Problem liegt viel tiefer: „Hierbei könnte auch etwas herbeikonstruiert werden, weil cis Männer von der Menstruation nichts sehen möchten, es zum Profit schlagen aber reicht. Wenn ich daran denke, wie sich vor allem junge Menschen dabei fühlen, denke ich vor allem an Scham. Und diese Scham vor etwas ganz Natürlichem wollten wir doch eigentlich durch Aufklärung ablegen. Es gibt viele Aktivist*innen, die daran arbeiten. Pinky Gloves wirkt dabei eher wie ein Rückschritt in eine andere Zeit.“
Sie könnte es sich jedoch vorstellen, dass solch ein Produkt bei langen Wanderungen, wenn kein Mülleimer verfügbar ist, praktisch wäre. Dafür gibt es ja allerdings bereits Plastiksackerl und Latexhandschuhe, die billiger sind. So könnten auch cis Männer ihr Klopapier nach dem Pinkeln im Busch umweltfreundlich wieder einpacken – wenn sie denn eins benutzen würden…
Strukturelle Benachteiligung weiblicher Start Ups
Zwei Männer haben Pinke Handschuhe für Tamponabfall entwickelt und dabei von die Höhle der Löwen ein Funding bekommen. Wisst ihr wer auch vor zwei Jahren bei die Höhle der Löwen war und kein Funding bekommen hat? Zwei Frauen, die Periodenunterwäsche entwickelt haben.
— Isabelle (@isabellealara) April 13, 2021
Zwei Jahre vor Pinky Gloves’ Auftritt bei „Die Höhle der Löwen“ hat auch das durch Frauen gegründete Start Up für Periodenunterwäsche ooia (damals noch ooishi) versucht, in dieser Sendung finanzielle Unterstützung zu erhalten. Diese wurde von allen männlichen Investor*innen abgelehnt. Die Investorin aus der Runde ist den beiden Gründerinnen mit einem Angebot entgegengekommen, dieses wurde von ooia jedoch abgelehnt. Der Grund dafür war, dass ooia zehn Prozent Firmenanteile um 300.000 Euro verkaufen wollte, die Investorin verlangte für denselben Preis den dreifachen Anteil. Fakt ist: weibliche Start Ups haben es schwieriger, überhaupt Investments zu bekommen. Mehr dazu steht in dem am 08. März 2021 erschienenen WARDA-Artikel „Start Up-Welt der Frauen: Woher kommt die massive Benachteiligung?“.
Mittlerweile haben sich André und Eugen auf Instagram zu dem Shitstorm geäußert, ihre Fehler eingesehen und gemeint, dass Perioden selbstverständlich etwas Natürliches sind und Pinky Gloves viel mehr eine Lösung für unterwegs sei. Sie haben außerdem versprochen, sich mit der Kritik auseinanderzusetzen und sich zu bessern. Was damit wohl gemeint ist, wird sich noch zeigen.
Edit: Mitterweile hat sich die Unternehmer der Seite dazu entschieden, das Projekt einzustampfen und zeigen auch Reue.
Titelbild Credits: TVNOW / Bernd-Michael Maurer
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