In unserer radikal neoliberal orientierten Welt hat alles einen monetären Wert. Klimawandel? Kein Problem! Anstatt wirklich etwas dagegen zu tun, kann man für einen zu hohen CO₂-Ausstoß einfach einen finanziellen Ausgleich bezahlen. Dass Klima, Welt und die Natur nicht so funktionieren, scheint in der hoch zelebrierten menschlichen Logik noch nicht angekommen zu sein. Und so kommt es, dass immer noch mit so einigen überlebenswichtigen Dingen spekuliert werden kann. Wir haben die absurdesten Spekulationsmöglichkeiten für euch gefunden.
1. Wasser – Spekulationsobjekt und Menschenrecht
Am 28. Juli 2010 wurde von den Vereinten Nationen das Menschenrecht auf eine Wasser- und Sanitärversorgung anerkannt. Sauberes Wasser ist demnach ein Menschenrecht. So weit, so gut. Doch leider kann mit diesem Menschenrecht seit Ende 2020 auf Gewinn spekuliert werden. Genauso wie mit Rohstoffen – Was natürlich auch eine Schweinerei ist.
An einer der größten Börsen der Welt, der CME in Chicago, werden Termingeschäfte mit sogenannten „Futures“ angeboten. Für gewöhnlich mit einer vierteljährlichen Laufzeit über jeweils 12,3 Millionen Liter. „Käufer und Verkäufer verpflichten sich dabei, das Wasser zu einem bestimmten Zeitpunkt mit einem vereinbarten Preis zu handeln. Das sorge für längerfristig stabile und somit berechenbare Wasserpreise, zum Beispiel für die Gemüsebauern im trockenen Kalifornien“, so die Befürworter*innen.
Zu oft leiden diese Landwirte nämlich unter Hitzeperioden und den dann schlagartig in die Höhe schnellenden Tarifen. Was das Bewässern ihrer Felder verteuert. Warum die Tarife gerade dann in die Höhe schnellen, ist da natürlich eine Frage von Angebot und Nachfrage. Könnte man auch anders regeln, aber ja.
Wie positiv man diesen Ansatz auch immer interpretieren will: Wasser wird dadurch zu einem Spekulationsobjekt. Und diese Praxis überschreitet eindeutig eine ethische Grenze. Denn was passiert, wenn reiche Investoren und Investorinnen sich dies zunutze machen und Einfluss darüber gewinnen? Was natürlich nicht auszuschließen ist. Etwas weiter gedacht, können Spekulant*innen dadurch Einfluss auf politische Systeme ausüben und ganze Staaten dirigieren. Und so auch über das Leben von Menschen entscheiden. Eine Katastrophe wie in einem schlechten James-Bond-Film (Ein Quantum Trost). Das alles darf nicht sein. Mit Wasser zu spekulieren und Vorkommen als Privatperson zu besitzen, gehört global verboten.
2. CO₂ – der Kauf und Verkauf von Emissionsrechten
Bereits 2005 (im Rahmen des Kyoto-Protokolls) wurde der sogenannte Emissionshandel eingeführt. Unternehmen müssen, um überhaupt Kohlenstoffdioxid in die Atmosphäre abgeben zu dürfen, Emissionsrechte erwerben. Jene Unternehmen mit höherem Bedarf können jedoch Anteile der Zertifikate kaufen, die von solchen mit niedrigerem Bedarf abgegeben werden.
Unternehmen, welche durch technisches Aufrüsten u. ä., durch Maßnahmen ihren CO₂-Ausstoß verringern können, sind so in der Lage, Emissionsrechte wieder zu verkaufen. Auf diese Weise wird vermeintlich klimafreundlicheres Verhalten honoriert und klimaschädlichem Verhalten entgegengewirkt, da Firmen Emissionsrechte zukaufen müssen, wenn sie mehr CO₂ ausstoßen. Problem dabei ist wieder jenes, dass, wenn man genug Geld hat, im Grunde so viel CO₂ ausstoßen kann, wie man will. Doch auch das ist wieder nur eine Seite des Problems.
Die andere Seite: Dieser Emissionshandel erfolgt teilweise direkt und teilweise an Börsen. Privatanleger*innen haben somit ebenfalls die Möglichkeit, mit Emissionsrechten und CO₂-Preisen zu spekulieren. Das liegt daran, dass der Handel mit diesen Zertifikaten nicht nur den Industrieunternehmen vorbehalten ist, sondern auch Investor*innen und Hedgefonds über Energiebörsen damit handeln können. Wie ein Haufen Sch***e (sorry, für den Vulgarismus!) lockt so etwas natürlich Spekulant*innen an. Diese können die Preise für diese Zertifikate natürlich künstlich in die Höhe treiben.
3. Nahrungsmittel – beliebtes Spekulationsobjekt für alle
Nahrungsmittel sind seit langem ein sehr beliebtes Spekulationsobjekt. Dabei gehen Finanzakteur*innen, wie Banken, Hedgefonds, Pensions- und Staatsfonds, bewusst Risiken ein, indem sie auf steigende oder fallende Nahrungsmittelpreise setzen. Das alles natürlich in der Hoffnung, schnell hohe Gewinne zu erzielen. Spekulationen mit Nahrungsmitteln gelten mittlerweile als Trend. Und seit der Nahrungsmittelkrise 2008 wird offensiv dafür geworben, Geld auf den (Agrar-)Rohstoffmärkten anzulegen.
Die Weltagrarmärkte sind somit Spielball der Finanzmärkte. Und die Finanzakteur*innen dieses Spiels, treiben die Preise von Nahrungsmitteln wie Weizen, Mais, Soja, Zucker, Kaffee und Kakao immer weiter in die Höhe. Auch der Krieg in der Ukraine wird von diesen Spekulant*innen eiskalt ausgenutzt und sogar instrumentalisiert, um künstlich die Preise für z. B. Weizen hochzutreiben.
Wie Attac berichtete, sind infolge des Ukraine-Krieges die Preise für Weizen zwischen Jänner und März 2022 um 61 Prozent gestiegen. Das Ausmaß dieses Preisanstiegs lässt sich jedoch nicht durch eine grundsätzliche Nahrungsmittelknappheit erklären. Nicht der Krieg, sondern vor allem die Finanzspekulationen mit Nahrungsmitteln sorgt demnach für steigende Lebensmittelpreise und treibt so auch Millionen Menschen in den Hunger.
4. Spekulation mit Lebensversicherungen von Aidskranken und alten Menschen
Hierbei geht es um den Handel mit US-Lebensversicherungen. Aus diesem Spekulationsobjekt ist bis Ende der 2000er ein gigantischer Markt entstanden. Das Modell ist denkbar einfach: Amerikaner*innen, die ihre Lebensversicherung nicht mehr benötigen (oder Geld brauchen), verkaufen diese einfach. Käufer*innen sind in diesem Falle Hedgefonds oder Banken, die auf hohe Gewinne spekulieren, wenn die Versicherten frühzeitig sterben. Umso früher das passiert, desto höher ist natürlich der Gewinn für die Investor*innen.
Das erste Mal erblühte der Handel mit solchen amerikanischen Lebensversicherungen in den achtziger und neunziger Jahren, als das HI-Virus sich ausbreitete und viele Aidskranke ihre Lebensversicherung zu Geld machen mussten, um die teure Behandlung zu bezahlen. Aufgrund des rasanten Krankheitsverlaufs waren Käufer*innen schnell gefunden. Ein neuer Trend war gefunden.
Doch „leider“ funktionierte diese Form der Spekulation alles andere als gedacht, denn ein Großteil der Menschen starb einfach nicht. Oder zumindest viel später, als berechnet, sodass sich ein solches Investment nicht mehr auszahlte und zu immensen Verlusten führte. Auch mit HIV kann man mittlerweile ein längeres Leben führen. Dennoch zeigt dieses Phänomen, in welch moralisch verwerfliche Richtung sich die, einem Marktdenken unterworfene Gesellschaft befindet.
5. Leiharbeit als Spekulation
Das Phänomen der Spekulation ist zu einer alltäglichen ökonomischen Rationalität geworden. Die ganze Gesellschaft ist von dieser Denke betroffen. So kann auch die Leih- bzw. befristete Vertragsarbeit als eine Form von Spekulation interpretiert werden. Zu diesem Schluss kommt zumindest ein Beitrag im Journal of Cultural Economy.
Darin wird die Vertragsarbeit als eine spekulative Anlagestrategie verstanden, bei der Einzelpersonen alle ihnen zur Verfügung stehenden Vermögenswerte – Ersparnisse, Zeit, körperliche Gesundheit – nutzen, um wirtschaftliche Vorteile zu erzielen. Im Fokus hierbei sind vor allem die „spekulativen Praktiken“ gesunder Menschen, die sich für Arzneimittelstudien anmelden. Das daraus lukrierte Geld bildet dabei ihre primäre oder entscheidende Einkommensquelle.
Diese Vertragsarbeiter*innen handeln nach einer spekulativen Logik, um das Geld zu maximieren, das sie durch ihre Teilnahme an klinischen Studien verdienen können. Dabei wenden sie das an, was als future-income-over-immediate-pay calculus bekannt ist. Ein zukünftiges und zu erwartendes Einkommen wird über die sofortige Bezahlung gestellt. Um einen Gewinn zu erzielen, wird in diesem Sinne mit dem eigenen Leben und Körper spekuliert. Vor allem Menschen aus prekären Verhältnissen, werden so ausgenutzt und anstatt eines Lebens in Form eines steten Einkommens, fristen sie ein Dasein finanzieller Erwartung.
6. Spekulieren mit der Gesundheit
Weiteres, ethisch mehr als fragwürdiges Spekulationsobjekt ist die menschliche Gesundheit. Auch wenn nicht so direkt wie im Punkt Vier, gezielt mit der Verfassung des Menschen spekuliert wird, so wird der Mensch dennoch zu einem, der Spekulation unterworfenem Objekt. Denn nichts anderes tun Pharmafirmen, wenn sie funktionierende Medikamente zurückhalten (um noch die schlechten Rezepturen loszuwerden) oder für lebensrettende Arzneien astronomische Summen verlangen. Welche in der Produktion jedoch fast gar nichts kosten. Oder wissentlich mit schädlichen Medikamenten handeln, sich, wenn sie dabei ertappt werden, jedoch mit einem Texas Two-Step Trick daraus befreien.
Pharmafirmen verhalten sich oft schäbig, verschieben Grenzwerte von Krankheiten, wenden Insolvenztricks an, verkaufen altbekannte Rezepturen als neue Medizin. Und das Beste, als Aktien notierte Unternehmen, kann man natürlich auch damit spekulieren.
Fazit
Die Globalisierung hat diesen weltweiten Spekulationswahn noch einmal extrem angeheizt. Die Rufe nach Deglobalisierung werden indessen immer lauter. Es wird Zeit, unseren Lebensstil radikal zu überdenken. Auch den Stellenwert des Geldes stellt die Klimakrise immer wieder infrage, da es mittlerweile wohl jedem klar sein sollte, dass bestimmte Dinge (und das sind nicht wenige) einfach mit Geld nicht aufzuwiegen sind.
Titelbild © Shutterstock
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