Sprachassistenten: Wir kennen sie als höflich, zuvorkommend und hilfsbereit. Meist sind die digitalen Assistenten weiblich und verkörpern damit auch gewisse Geschlechterstereotypen.
Sprachassistenten wie Siri, Alexa oder Cortana erfreuen sich weltweit an zunehmender Beliebtheit. Digitale Sprachassistenten sind eine Software, die eine Steuerung per Sprachbefehl ermöglichen. So können sie beispielsweise nach Informationen im Internet suchen, E-Mails oder SMS schreiben, Musik abspielen, einen Anruf initiieren oder auch eine assistierte Navigation programmieren.
Doch neben dem technischen Fortschritt und der Vereinfachung des alltäglichen Lebens ziehen auch bereits vergessen geglaubte Geschlechterklischees in die Wohnzimmer der Nutzer:innen ein. Denn Sprachassistenten werden meist mit einer weiblichen Identität und Persönlichkeit konzipiert.
Fortschrittliche Technologie, überholtes Frauenbild
„Smart Wife“ nennen die australischen Wissenschaftler Yolande Strengers und Jenny Kennedy dieses Phänomen, welches auf die Einnahme der Rolle als allzeit verfügbare, gehorsame und intelligente „Hausfrau“ der Sprachassistenten abzielt. Digitale Assistenten schaffen es mittels neuer Technologien, die „sittsame und anhängliche“ Frau in die heutige Zeit zurückzubringen, die „passive Weiblichkeit“ verkörpert.
Ein eigentlich bereits überholtes Geschlechterkonstrukt aus den 1950er Jahren, dass Frauen mit ihrer Emanzipierung bereits lange hinter sich gelassen haben. Nun schreiben also nicht mehr die fügsamen Ehefrauen die Einkaufslisten, schalten das Licht ab oder erledigen gar den Einkauf – nun übernehmen diese Aufgaben die digitalen Sprachassistenten. Eine Verschiebung der obsoleten Geschlechterrollen in die digitale Welt.
I’d blush if I could
In dem Bericht „I’d blush if I could“, der 2019 veröffentlicht wurde, warnt Unesco vor der Reproduzierung von Gender-Stereotypen durch Siri, Alexa und Co. Die digitalen Assistenten seien „unterwürfig, gehorsam und stets höflich“. So reagierten die Sprachassistenten damals mit großer Zurückhaltung, wenn diese verbal attackiert oder beschimpft wurden.

Siri konterte beispielsweise auf die Beleidigung „You are a bitch“ mit dem Satz „I’d blush if I could“. Dies würde nicht nur Sexismus normalisieren, sondern auch die digitale Kluft zwischen Männern und Frauen verstärken. Weibliche Sprachassistenten vermitteln so eine Illusion der stets glücklichen und verfügbaren Frau, die nichts lieber tut, als Wünsche zu erfüllen.
Industrieroboter meist männlich
Während Sprachassistenten meist weiblich konzipiert sind, ist zu beobachten, dass Industrieroboter meist männliche Namen erhalten. Dies ist beispielsweise bei ASTI Mobile Robotics der Fall, wo Roboter die Namen Jürgen, Fritzchen und James tragen.
Den künstlichen Helfern im Alltag werden also je nach Aufgabenfeld weibliche oder männliche Eigenschaften zugewiesen. Somit zeigt sich ein klares Rollenverständnis: Weibliche Attribute für eine freundliche und höfliche Assistenz- und Sektretärinnenrolle, männliche Namen für stoische Transportroboter.
Auch männliche Stimmen für Sprachassistenten
Nun ist zu erwähnen, dass es Siri und Alexa mittlerweile auch als männliche Variante gibt. Tatsächlich kann bei Siri die männliche Stimme schon seit 2013 eingestellt werden. Die weibliche Stimme war aber trotzdem in den meisten Ländern unabhängig von ein paar Ausnahmen (z. B. Großbritannien) bislang immer die Standard-Einstellung.
2021 wurde dies von Apple überarbeitet – Siri ist nun nicht mehr automatisch weiblich. NutzerInnen müssen ab jetzt also selbst wählen, welches Geschlecht Siri haben soll. Und auch an neuen Stimmen wird gearbeitet. Damit setzt Apple einen Schritt in Richtung Inklusion.
Alexa hingegen war bis vor kurzem nur als weibliche Version verfügbar. Erst 2021, also ganze sieben Jahre nach dem Erst-Release, können Nutzer:innen nun mit Ziggy, einer männlichen Stimme, sprechen. Die Persönlichkeit von Alexa bleibt laut Amazon dabei unverändert.
Sprachassistenten sollen sexuelle Belästigung abwehren
Dass die digitalen Sprachassistenten auch Diskriminierung und sexueller Belästigung ausgesetzt sind, ist mittlerweile auch den Unternehmen bewusst. Die Sprachassistenten dagegen zu wappnen, kommt mit einer gewissen gesellschaftlichen Verantwortung. So heißt es etwa von Amazon: „Wir glauben, dass es wichtig ist, dass Alexa unangemessene Anfragen nicht fördert.“ Dabei soll sie die „Beleidigung erkennen und entmutigen“ ohne einen „unangebrachten Ton anzuschlagen“.
Und auch genderneutrale Stimmen könnten einen Lösungsansatz darstellen. Linguisten, Sounddesigner und IT-Spezialisten aus Dänemark haben bereits eine solche Stimme entwickelt. Q heißt die genderneutrale Stimme, die nicht sofort eindeutig einem Geschlecht zuzuordnen ist. Dies wäre eine Möglichkeit, um Stereotypen zukünftig aus dem Weg zu gehen.
Die Weiterentwicklung von Sprachassistenten in Richtung Diversität ist wohl ein fortlaufender Prozess. Die Assistenzsysteme werden zukünftig immer klüger werden, demnach werden sie sich auch verändern. Können wir digitale Sprachassistenten feministisch, inklusiv und queer gestalten? Ich bin der Meinung, dass wir es versuchen sollten.
Titelbild © Shutterstock
DAS KÖNNTE SIE AUCH INTERESSIEREN
Warum sind Songtexte dümmer geworden?
Warum die Lyriks der Musik im Laufe der Jahre simpler und repetitiver geworden sind? Eine Studie enthüllt die Gründe.
In Österreich wird zu viel gemeckert - ein Interview mit der Lombardei lehrt uns mehr Demut
Am Beispiel der Lombardei und dem Interview mit Dr. Luigi Gelmi sehen wir, in Österreich wäre Demut mehr als angebracht. Wir sollten nicht so viele Gedanken daran verschwenden, dass wir womöglich einen Frühling, gar einen Sommer oder im schlimmsten Fall ein Jahr verloren haben. Denn durch die Vorsicht, die wir als Kollektiv momentan großteils an den Tag legen, verhindern wir, dass es für manche – genauer die Risikogruppe - nicht vielleicht gar ihr letztes Jahr war und es so endet, wie in anderen Teilen dieser Erde.
Brüste und Eier: Mieko Kawakamis feministisches Meisterwerk
Ausnahmeautorin Mieko Kawakami zeigt in Brüste und Eier, was es heißt, sich als Frau in Japan zu emanzipieren. Absurd und tiefgründig.
Arm trotz Arbeit: die brodelnde Gefahr sozialer Ungleichheiten
Schon kurz nach Beginn des Monats ist am Konto fast nichts mehr drauf? Arm sein bedeutet vor allem Ungewissheit, psychischer Druck und Angst!
Online-Betrug: Maschen, auf die auch du reinfallen könntest
Brennpunkt Online-Betrug. Der Internetbetrug genießt Hochkonjunktur und ist ein lukratives Betrugsgeschäft. Damit du nicht in dieselbe Falle tappst wie viele […]
Filme sind für Männer – Was bedeutet Male Gaze und wieso ist er überall?
Ich dachte lange, ich mag einfach keine Filme. Vor allem männliche Freunde fanden das komisch. „Wie kann man sich nicht […]







