Für alle, die die Weihnachtszeit ohnehin schon hassen und bei Wham‘s Last Christmas das große Kotzen bekommen, denen liefert Netflix noch einen zusätzlichen Anlass zum Brechreiz: Hot Frosty. Die müde Story, um einen zum Leben erwachten Schneemann, ertrinkt geradezu in ihrer seichten Darstellung. Wir haben uns den Film angetan.
Der Netflix-Weihnachtsfilm
Wo soll man bei Hot Frosty bloß anfangen? Bei der Story vielleicht. Kathy (Lacey Chabert) erwacht in einem kalten und heruntergekommenen Haus. Natürlich wird angedeutet, dass sie, seit dem Ableben ihres Mannes, so gar nichts mehr auf die Reihe bekommt. Vor allem nicht die ganz realen Umstände des Daseins – wie zum Beispiel der Anruf beim Installateur.
Ganz klassisch wird die herzensliebe Diner-Besitzerin von ihrem Umfeld auch noch dazu gedrängt, endlich einen neuen Mann zu finden – weil sie ja alleine so herzlich wenig auf die Reihe bekommt, wird uns vermittelt. Obwohl sie einen eigen Diner hat, der extrem erfolgreich läuft, aber wie dem auch sei.
Hot Frosty: Geschlechterrollen aus dem Jahre Schnee
Man möchte meinen, dass die Menschheit weiter ist und Frauen nicht mehr unbedingt einen Mann oder eine Beziehung haben müssen, um glücklich zu sein. Aber falsch gedacht, denn der Netflix-Film Hot Frosty beweist, dass man – beim Streaming-Giganten zumindest – immer noch in den Geschlechterrollen des letzten Jahrhunderts verhaftet ist oder sogar des Jahrhunderts davor.
Aber egal. Denn die konservative Rettung der einsamen und unfähigen Frau durch einen neuen Mann naht, als Kathy einer sexy Schneemann-Skulptur einen Schal umsetzt und dieser über Nacht zum Leben erwacht. Der Arme Jack (Dustin Milligan) ist natürlich ganz verwirrt und irrt ahnungslos und nackt durch die Nacht. Am nächsten Tag trifft er dann auf Kathy und die Liebe beginnt langsam zu keimen. Erfahrene oder auch unerfahrene Filmfans erahnen natürlich sogleich, wie das ganze enden wird, doch wollen wir nicht zu viel verraten.
Hot Frosty: Figuren
Doch eine recht überschaubare Story bedeuten noch nicht gleich, dass ein Film schlecht ist. Doch bei der miesen Story von Hot Frosty bleibt es leider nicht. Vor allem die Figuren bzw. die Darstellung der Schauspielenden ist ein Griff ins vorweihnachtliche Dilemma. Denn Acting bedeutet sehr viel mehr, als oberkörperfrei ein Dach zu decken.
Wobei der übermotivierte Sheriff durchaus ein Charakter ist, der noch zu unterhalten weiß, jedoch unter einem anderen Problem leidet. Denn die Polizisten-Figuren in Hot Frosty untergraben im Grunde nur die Ernsthaftigkeit der Exekutive und führen den Trend des unfähigen und dämlichen Cops fort. Auf die Staatsgewalt ist also kein Verlass mehr.
Anti-Wissenschaftlichkeit
Doch dabei bleibt es nicht in Sachen Unfähigkeit. Auch die Ärztin, die Kathy aufgrund des lebendig gewordenen Schneemanns konsultiert, ist das filmische Zeichen eines gesellschaftlich recht problematischen Trends. Denn diese Medizinerin erklärt Kathy nämlich, dass diese Geschichte, um den zum Leben erwachten Schneemann einfach nur wahr sein kann. Eine genauere Untersuchung von Jack erübrigt sich da natürlich!
In einer Welt aus Fake News und alternativen Pseudo-Wahrheiten, in der die Wissenschaft eigentlich so etwas wie Klarheit und Rationalität bringen sollte und müsste, beweist auch der Netflix-Film Hot Frosty, dass die Zeiten der Wissenschaftlichkeit und Logik endgültig vorbei sind.
Während in so ziemlich allen Filmen der Welt, Wissenschaftler*innen so etwas wie Rationalität darstellen, schlägt Netflix in Hot Frosty neue Wege ein und transformiert den gesunden Sachverstand der im Grunde ja rationalen Figur zu einem anti-wissenschaftlichen Trauerspiel.
Die kritische Vernunft hat leider keinen Platz mehr — ein Phänomen, das mit diesem Film nun wohl nicht mehr nur gesamtgesellschaftlich ein Problem darstellt, sondern zum filmischen Stilmittel werden wird. Dann nimmt Kathy den hoten Frosty natürlich auch noch bei sich zu Hause auf. Würden Sie als Frau einen Fremden aufnehmen, der alle Anzeichen einer psychischen Krankheit aufweist? Der Kerl hält sich für den zum Leben erwachten Schneemann! Na ja, wenn er hot ist, vermutlich schon. WTF!
Hot Frosty auf Netflix: einfach nur witzlos
Aber ok, klar, nicht zu viel darauf herumreiten. Die Story ist einfach bescheuert, we get it! Das hat der Netflix-Film natürlich mit ziemlich vielen anderen Weihnachtsfilmen gemein. Ist jetzt noch kein Weltuntergang. Hot Frosty ist auch noch schlecht gemacht. Aber das kommt ja auch öfter vor, als man denkt. Halb so wild.
Doch der wohl größte Skandal ist, dass Hot Frosty nicht einmal witzig ist. Ja, nicht einmal wirkliche romantische Stimmung kommt auf, wenn man sich den Schwachsinn da ansieht. Und das ist wohl das größte Verbrechen, das ein Weihnachtsfilm uns nur antun kann. Aber sei es drum. Es wird schon seine Gründe haben, warum dieser Netflix-Film so erfolgreich ist. Gründe, jenseits eines guten Filmgeschmacks und rationaler Nachvollziehbarkeit.
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Bilder © 2024 Netflix, Inc.
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