In Osteuropa hat die Historie eine traurige Entwicklung hervorgerufen. Vermehrter Menschenhandel und Zwangsprostitution. Mit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine verschlimmert sich die Situation zusehends. Wo Krieg herrscht, dort floriert bekanntlich der Menschenhandel. Und je länger dieser Krieg, umso wahrscheinlicher, dass die Flüchtenden und Hilfesuchenden in die falschen Hände geraten. Davor warnt nicht nur die UNO. Auch die NGO International Justice Mission zeigt das Problem auf – und versucht in der Ukraine dagegen anzukämpfen.
Kleinbusse an den Grenzen und Busbahnhöfen. Darin Männer, die nur darauf warten, dass ihnen vulnerable flüchtende Frauen in die Hände fallen, um sie mit „guten Jobs“ in westeuropäischen Städte zu locken. So erklärt es Dietmar Roller, Deutschland-Vorsitzender von IJM e.V (International Justice Mission), gegenüber dem Spiegel. Bekanntermaßen bleiben die Männer im Krieg. Und so sind es einzig Frauen und Kinder, welche die Flucht antreten – und damit angreifbar werden.
Wer niemanden in anderen Teilen Europas hat, der einem Zuflucht bietet, der muss wohl oder übel temporär perspektivlos in eine Flüchtlingsunterkunft. Shawn Kohl, Direktor von IJM in Zentral- und Osteuropa hält fest, dass nicht nur an den Grenzen die Gefahren lauern: „Wenn man längere Zeit in einem Flüchtlingszentrum oder einer Unterkunft bleibt, ist es schwer, Arbeit zu finden. Dann steigt ihre Risikotoleranz wirklich dramatisch, je länger sie an einem Ort sind. Dann wissen wir, dass es viele gefährdete Personen gibt, die rekrutiert werden könnten. (…) Es ist die Hoffnung, die Menschenhändler oft ausnutzen; Menschen, die etwas Unterstützung brauchen und einen Job wollen.“
Epizentrum Osteuropa: Reger Menschenhandel durch Krieg verstärkt
Bereits vor der EU-Osterweiterung war Menschenhandel in Osteuropa ein immanentes und dennoch beiseitegeschobenes Problem. Dies liegt historisch vor allem an politischen und gesellschaftlichen Veränderungen in den ehemaligen sozialistischen Staaten des Ostblocks nach dem Zerfall der UdSSR. Der Anstieg der Arbeitslosigkeit traf vor allem Frauen, die bis dahin in den industriellen Fertigungsbetrieben und im Handel gearbeitet hatten. So gingen 14 Millionen Arbeitsplätze für Frauen verloren, wie der im Jahr 2004 von der UNICEF veröffentlichte Monitoring-Report zeigt.
Seit den EU-Beitritten vieler osteuropäischer Länder und der daraus resultierenden, vermeintlichen Legalisierung von Sexarbeit durch Frauen aus diesen Ländern wurde die Lage noch unübersichtlicher. Obwohl die Gesetze vieler Nationalstaaten den Schutz Betroffener vorsieht und diese als Opfer erkennt, sieht die Realität häufig anders aus. Sexarbeiter:innen werden kriminalisiert statt der Strukturen dahinter.
Im Osten Europas geht es noch radikaler zu. Dort dominiert die Einschätzung, die betroffenen Frauen trügen selbst die Schuld an ihrer Situation. Hätten sie doch wissen müssen, was sie erwartet. Kombiniert mit den Aktionen einiger staatlicher und nicht-staatlicher Instanzen und Organisationen, diese Frauen zu ihrem eigenen Schutz in das Herkunftsland zurückzuführen, verschlimmert die Situation für Betroffene immens. Paradox – doch bringt auch die reine Viktimisierung der Frauen keine nachhaltige Hilfe.
Mit dem Russischen Überfall auf die Ukraine nimmt der Menschenhandel weiter Fahrt auf. Und reist damit eine ganze Nation ins Visier der Händlerringe. Alles, was den NGOs bleibt, sind Aufklärung, persönliche Gespräche, Flugblätter oder Durchsagen auf den diversen Bahnhöfen – aber wirklich alle Frauen und Kinder schützen können sie nicht. Verzweiflung, Geldnot, oft auch falsche Versprechen, Epressung und gar nicht so selten Entführung bringen die Betroffenen in eine ausweglose Situation.
Um den Menschenhandel langfristig zu stoppen, braucht es wohl die Mithilfe anderer. Aufmerksame Beobachtung. Meldung bei der Polizei. Und vor allem auch, dass man die Dienste solcher Frauen nicht in Anspruch nimmt. Denn die Nachfrage bestimmt bekanntlich das Angebot.
Titelbild © Unsplash | Tim Tebow Foundation
DAS KÖNNTE SIE AUCH INTERESSIEREN
Streamerinnen für pornografische Deepfakes missbraucht
Streamerinnen werden für pornografische Deepfakes missbraucht. Große Twitch Streamerinnen wie QTCinderella und Maya Higa zählen zu den Opfern.
Spiritueller Narzissmus: Wenn Yoga, Meditation und Co nur das Ego fördern
Jede:r strebt in einer gewissen Form nach gesellschaftlicher oder sozialer Anerkennung. Das Ego füttern zu wollen, resultiert aus unserer zunehmend […]
Sex aus Armut: Zwangsprostitution in Europa – aufrüttelnde ARTE-Doku
Sie wollen der Armut entkommen. Landen jedoch in der Prostitution. Deutschland als Bordell Europas. Eine ARTE-Doku bietet einen traurigen Einblick.
Sido setz den Aluhut auf! Das Hip Hop Herz blutet
Der Rapper Sido nahm auf Ali Bumayes Couch in der Youtube Show "Ali therapiert" Platz und beginnt nach anfänglich lockerem Talk plötzlich mit wirren Theorien. Ein Held meiner Jugend hat für mich mit diesem Interview ein wenig an Credibility verloren. Kritik ist wichtig, doch sollte sie im Bereich des Rationalen bleiben.
Weed-Mafia-Doku gibt Einblicke über die organisierte Kriminalität
Das journalistische Kollektiv STRG_F ist für seine investigativen Dokumentationen gut bekannt. Diesmal nimmt man uns mit auf eine Reise nach […]
Kröten lecken oder rauchen: was steckt hinter dem Trend?
Kröten lecken oder rauchen soll psychische Krankheiten heilen? Dem Sekret der Sonora-Wüstenkröte wird eine psychedelische Wirkung nachgesagt.