Toxische Männlichkeit. Dieser Begriff ist von enormer Aktualität und ist aus den aktuellen Diskussionen in den (sozialen) Medien und der Politik nicht mehr wegzudenken. Zum ersten Mal werden die erschreckenden Ausmaße der Unterdrückung sichtbar, untern denen Frauen weltweit zu leiden haben. Seit der #metoo-Bewegung werden patriarchale Muster, strukturelle Benachteiligungen von Frauen und Sexismus sowie Gewalt durch Männer immer mehr thematisiert. Auch wir von WARDA haben passend zum Thema toxische Männlichkeit eine – leider unerfreuliche – Liste erstellt. Unsere Absicht: gesellschaftliches Bewusstsein für alltägliche Situationen zu schaffen, in denen Frauen unter toxischer Männlichkeit zu leiden haben. Und dadurch Veränderung zu bewirken. Hier unser Ranking:
Platz 10: Der Toxic Driver
Wie in unserem Artikel über Toxic Driver bereits erörtert, sind Männer die viel risikobereiteren Autofahrenden. Ergebnis vieler Studien zu dem Thema: Männer fahren viel gefährlicher und mit einem höheren Risiko als Frauen.
Das Risiko, durch einen männlichen Fahrer zu sterben, ist doppelt so hoch, wie durch eine weibliche Fahrerin. Die Hard-Facts: In Deutschland z.B. sterben im Straßenverkehr deutlich mehr Männer als Frauen. Im Jahr 2018 waren unter den Opfern 75,7% Männer und 24,3% Frauen.
Platz 9: Manspreading
Der Begriff Manspreading ist bekannt und vielen von uns leider vor allem aus den öffentlichen Verkehrsmitteln vertraut. Dort ist immer wieder zu beobachten, wie Männer durch ihr raumaneignendes Verhalten negativ auffallen.
Während Frauen versuchen, sich möglichst klein zu machen, ruhig zu sein und wenig Raum einzunehmen (mit überschlagenen oder eng aneinander liegenden Beinen zu sitzen, die Arme und Hände eng am Körper zu halten usw.) sitzen Jungen und Männer oft breitbeinig auf deren Sitzplatz und nehmen viel mehr Platz in Anspruch, als ihnen zusteht. Damit nehmen sie anderen natürlich deren Raum weg, belästigen und stören diese.
Platz 8: Der Manspreadingwalk
Die patriarchale Struktur des Manspreading setzt sich bei den toxischen Männern natürlich auch im Gehen fort. Jungen schreiten bereits im Kindergartenalter breitbeinig durch die Welt, als ob sie eine Salami zwischen ihren Beinen Gassi führen müssten. Weiters „setzen sie ihre Füße mit den Spitzen nach außen gedreht möglichst weit auseinander auf.“, wie Sebastian Tippe in seinem Buch Toxische Männlichkeit bemerkt.
Auch ist oft zu beobachten, wie Männergruppen den ganzen Gehsteig für sich in Anspruch nehmen, weil sie ja nebeneinander her gehen müssen. Ist an sich ja kein Problem – wenn sie dabei nicht gerade alle anderen Passantinnen und Passanten ignorieren. Und das Überholen bzw. Ausweichen für den Rest der Welt so zu einer mühsamen Angelegenheit wird.
Platz 7: Mansplaining
Der Begriff Mansplaining ist bekannt: Die herablassenden Erklärungen eines Mannes, der davon ausgeht, er wisse mehr über den Gesprächsgegenstand als die – meist weibliche – Person, mit der er spricht und welcher er seine vermeintliche Expertise reindrückt.
Ihre Ansicht der Dinge oder Meinung zum Thema gehen ihm natürlich am A**** vorbei. Zum Sprechen kommen die meisten Frauen im Dialog mit solchen Männern natürlich nicht.
Platz 6: Whataboutism und Derailing
Eine weitere unrühmliche Form übergriffigen und sexistischen Verhaltens in der Kommunikation von Männern gegenüber Frauen sind die eher unbekannten Phänomene Whataboutism und Derailing. Beim Whataboutism lenken hauptsächlich Männer vom eigentlichen Diskussionsthema ab. Sie tun dies, indem sie auf vermeintlich andere Missstände verweisen, wodurch Frauen dann diskreditiert werden sollen. Die Argumente der Frauen dabei jedoch alles andere als widerlegt werden.
Bestes Beispiel: sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz. Nicht selten wird von toxischen Männern darauf erwidert, dass sie selbst auch schon einmal sexuell belästigt wurden, Männer auch diskriminiert werden usw. So wird versucht (bewusst oder unbewusst) vom eigentlichen Thema abzulenken, dieses klein zu reden oder ganz zu negieren.
Beim Derailing ist es das Ziel, die Kommunikation entgleisen zu lassen. Hierbei werden Totschlagargumente eingesetzt, um eine vernünftige Diskussion zu sabotieren. Whataboutism und Derailing sind auch ein allgemeines Problem, doch vor allem in Bezug auf das Thema Geschlechterungleichheit und Rechte von Frauen wurde es oft verwendet, um eine sachliche Diskussion zu verunmöglichen.
Platz 5: Hepeating
Der rhetorischen „Feinheit“ des Mansplaining nicht genug, erschien vor kurzem ein neues redekünstlerisches Repertoire toxischer Männlichkeit. Hepeating – zusammengesetzt aus der Wortmischung „he“ (er) + „repeating“ (wiederholt) – beschreibt eine Technik, bei der Männer Gedanken und Ideen von Frauen aufgreifen, um sie dann als die eigenen auszugeben.
Und dafür natürlich auch die Anerkennung, das Lob oder gar die Beförderung kassieren. Der Begriff des Hepeating wurde von der Physikerin Nicole Gugliucci auf Twitter vorgeschlagen:
My friends coined a word: hepeated. For when a woman suggests an idea and it's ignored, but then a guy says same thing and everyone loves it
— Prof. Nicole Gugliucci is very tired (@NoisyAstronomer) September 22, 2017
Platz 4: Familienarbeit
Auch die Familienarbeit wird nach wie vor leider hauptsächlich von Frauen erledigt. Diese leisten den Hauptteil der unbezahlten Care-Work. Der Großteil der Männer lässt diese nämlich damit alleine und arbeitet weiter Vollzeit, während die Frau auf ihre Karriere verzichtet, weniger arbeitet und bei den Kindern bleibt. Diese Reproduktion von veralteten Geschlechterstereotypen drängt die Frauen in eine finanzielle Abhängigkeit, da sie vom Geld des Mannes abhängig sind. Was nicht bedeutet, dass sie effektiv weniger arbeiten, da sie selbst ja den Hauptteil der unbezahlten Care-Arbeit erledigen müssen.
Enorme Einbußen bezüglich der Rente von Frauen (aufgrund der geringeren Erwerbsarbeit) sind hier natürlich vorprogrammiert. Vor allem wenn man bedenkt, dass die meisten Ehen und Partnerschaften ohnehin nicht halten, führt das noch zu Altersarmut, von der Frauen mehr betroffen sind als Männer. Ein Teufelskreis. Die Politik ist hier an allen nur erdenklichen Ecken und Enden gefordert. Aber auch die Menschen selbst sind zu einem Umdenken gezwungen. Was sich natürlich auch in einem geänderten Handeln widerspiegeln sollte.
Platz 3: Gender Data Gap
Die Welt ist von Männern für Männer designt. Das macht Frauen und ihre Bedürfnisse unsichtbar. Weiters bringt dieses, oft unbewusste Verhalten Frauen in Gefahr. Das z.B. ausschließliche Nutzen von männlichen Crash-Test-Dummies in der Auto- und Unfallforschung wäre so ein Fall, wo aufgrund der nicht auf Frauenkörper eingestellten Gurte und Sitze, diese in Gefahr gebracht werden und ein höheres Verletzungsrisiko eingehen.
Es ist eine Tatsache, dass Männer häufiger als Frauen in Autounfälle verwickelt sind. Daher bilden sie auch die Mehrheit der bei Autounfällen Schwerverletzten. Aber (!), wenn eine Frau an einem Autounfall beteiligt ist, wird sie mit 47 Prozent höherer Wahrscheinlichkeit als ein Mann schwer verletzt. Das alles hängt natürlich damit zusammen, wie das Auto designt wurde. Und das ist nur eines aus einer ganzen Masse an Beispielen. Der Gender Data Gap. Ein Thema für sich!
Platz 2: Prostitution
Auch die Prostitution – wie positiv man dieses Phänomen auch immer betrachten will – ist hauptsächlich Teil männlicher, toxischer Machtdemonstration gegenüber Frauen, ihren Körpern und ihrer Selbstbestimmtheit, so Sebastian Tippe in seinem schon erwähnten Buch. Freier sind männlich. Auch jene, die zu männlichen Prostituierten gehen. Auch die Existenz von Frauen, die zu Prostituierten gehen ist (ganz im Sinne des Whataboutism) kein Argument dafür, das Prostitution ok ist.
Gegen einvernehmlichen Sex ist nichts einzuwenden – auch wenn dafür bezahlt wird. Doch Frauen, die aus der Prostitution „entfliehen“, sprechen von sich selbst als Überlebende der Prostitution und bezeichnen diese als Bezahlte Vergewaltigung.
Klar gibt es Prostituierte, die nicht Gewalt erfahren und deren Business zur Zufriedenheit aller Beteiligter hinter sich gebracht wird. Doch Tatsache ist, dass 90% der Prostituierten und Sexsklavinnen in Deutschland Ausländerinnen aus unterprivilegierten Ländern sind und für ihre Arbeit nicht gerecht entlohnt werden. 65-95% der Frauen in der Prostitution haben sexuelle Übergriffe, sexuelle Gewalt bis hin zur Vergewaltigung erfahren. 83% konsumieren harte Drogen und 54% leiden unter schweren Depressionen, verweist Tippe auf die harten Fakten.
Platz 1: Femizide
Trauriger Höhepunkt unserer Liste: physische Gewalt mit Todesfolge gegen Frauen. Bekannt unter dem Begriff Femizide. Dazu können wir das Buch Alle drei Tage von Laura Backes und Margherita Bettoni empfehlen. Ein Titel, gewählt, um die Problematik der Gewalt gegen Frau noch einmal zu veranschaulichen. Alle drei Tage, an jedem dritten Tag (!) im Jahr (so 2019) hat ein Mann in Deutschland seine (Ex-)Partnerin getötet. Und noch schlimmer: Ungefähr einmal täglich hat ein Mann seine (Ex-)Partnerin versucht zu töten!
In Österreich sind die Zahlen ebenso dramatisch – 31 Frauen im Jahr 2020. das ist zwar „nur“ jeder zehnte Tag, aber betrachtet man, dass Deutschland 10 mal so hohe Bevölkerungszahl hat, dann kommt man sogar auf mehr Femizide gemessen an den Parametern der Zeit und Bevölkerungszahl.
Wenn man etwas weiter denkt, ist es geradezu erschreckend, wie gravierend die Zahl der missglückten Mordversuche in den Medien in den Hintergrund rückt bzw. dort nicht einmal aufscheint. Der Fokus wird lediglich auf die konkreten Morde gelegt. Dabei ist es ein Denkfehler anzunehmen, dass alle Mordversuche immer mit dem gewünschten Ergebnis der Täter enden. Zwei Drittel der Frauen überleben die lebensbeendenden Angriffe ihrer (Ex-)Partner nämlich. Überlebende, die in diesem Buch auch zu Wort kommen.
Toxische Männlichkeit – Fazit
Diese WARDA-Liste ist natürlich nur ein kleiner Einblick. Denn man könnte noch viele weitere Punkte erwähnen bzw. gesellschaftliche Bereiche aufzählen in denen Frauen systematisch und strukturell benachteiligt werden. Für eine Vertiefung dieser Thematik empfehlen wir daher das Buch Toxische Männlichkeit von Sebastian Tippe, sowie das Buch Unsichtbare Frauen von Caroline Criado-Perez. In letzterem zeigt die Autorin auf, wie eine von (männlichen) Daten beherrschte Welt die Hälfte der Bevölkerung ignoriert. Also Frauen.
Titelbild Credits: Shutterstock
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