Die Unterschiede zwischen Vietnam und Deutschland sind im Umgang mit dem Coronavirus eklatant. Die Asiaten sind weitaus erprobter auf diesem Gebiet als wir in Europa. Was also können wir von einem viruserprobten Land lernen? Und: Welche Maßnahmen machen wirklich den Unterschied? Unser Redakteur hat den direkten Vergleich.
Vor circa 3 Wochen reisten wir nach Vietnam. Vietnam zählte 16 offizielle Fälle – in Deutschland waren es zeitgleich glaube ich 2. Die Reaktionen im Freundeskreis trugen den Tenor: „Oje Asien, wie kannst du jetzt ins Krisengebiet reisen“
Ich bin dankbar, die aktuelle Situation mit diesem Abstand beurteilen zu können.
Angekommen in Vietnam sahen wir keine Panik und keine Hamsterkäufe, sondern viel Aufklärung und Vorsichtsmaßnahmen. Wir haben eine tolle Zeit erlebt, ohne Ängste und ohne Einschränkungen. Schutzmaßnahmen waren einfach da und haben uns nicht beeinträchtigt. Doch wie ist das möglich?
Wie Vietnam mit der Situation und Corona umgeht
Alle Schulen waren bereits geschlossen – damit waren sie uns weit über einen Monat voraus. Nahezu überall Aufklärungsschilder mit vorbeugenden Maßnahmen wie Hände waschen, desinfizieren, etc. – bei uns praktisch nicht vorhanden. Ungefähr 90% der Menschen tragen Atemschutzmasken, überall – draußen, drinnen, in Lobbys, Supermärkten etc. – bei uns sind es heute 1 Monat später gefühlt 0%.
Überall Desinfektionsmittel zur Hand: Vor jedem Aufzug, an jeder Kasse, in Cafés, Rezeptionen, Eingängen von öffentlichen Gebäuden, den meisten Restaurants, etc. – bei uns zu großen Teilen Fehlanzeige. Dort gibt es reichlich Desinfektionsmittel in Supermärkten oder Apotheken zu kaufen, bei uns nicht. Man kann auch überall Atemschutzmasken kaufen, deshalb trägt jeder eine – bei uns in Deutschland sind sie ausverkauft, komischerweise trägt niemand eine.
Vor Eingängen von Supermarktketten und vielen öffentlichen Gebäuden standen Angestellte, die uns Desinfektionsmittel auf die Hand sprühten – eine fast schon Arbeitsplatz schaffende Maßnahme – wieder bei uns, Fehlanzeige! An Tankstellen tankt ein Tankwart, womit das Tanken berührungsfrei erfolgt – hier muss ich weiterhin den Zapfhahn bedienen.
In manchen Einkaufzentren, Pubs oder Schiffen wurde sogar direkt Fieber gemessen – hier undenkbar. Menschen tragen Desinfektionsmittel bei sich. Das konnte ich hier bisher kaum beobachten. Taxifahrer tropfen den Fahrgästen Desinfektionsgel auf die Hand. Nachdem die Koffer entladen wurden, desinfizieren sie sich ihre Hände.
Multiplikator Nr.1 bleibt jedoch der Kassierer an der Supermarktkasse bei uns. Die Waren aller werden manuell durch den Scanner gezogen – wer jetzt nach der Überlebensdauer des Virus auf Oberflächen googlen möchte, für den habe ich hier die Antwort. Länger als der Einkauf dauert, je nach Oberfläche bis zu 4 Tagen.
Wir haben in ganzen 3 Wochen keinen Menschen berühren müssen (!). Das ist natürlich auch kulturell bedingt – wenn ich da an die Küsschen in Spanien, Frankreich und Italien denke. Der Händedruck erscheint mir übrigens nicht minder gefährlich ohne Atemschutzmaske, da der Mensch sich 3 bis 4 mal pro Stunde ins Gesicht fasst.
In Vietnam herrscht allerdings keine Panik. Die Menschen gehen sehr souverän damit um. Das Leben findet draußen statt. Wir waren täglich draußen essen – Streetfood, Restaurants, Cafés – und konstant unter Menschen auf Märkten und Veranstaltungen – ein Leben ohne Angst. Corona schien kein wirkliches Thema zu sein, obgleich es omnipräsent war. Man hat sich sicher gefühlt, trotz der vermeintlich gefährlichen Chinesen im Land und China in unmittelbarer Nähe – vor allem wirtschaftlich besteht ein reger Austausch mit dem kommunistischen Nachbarn.
Knapp ein Monat später ist die Zahl in Vietnam von 16 auf nur 57 „Corona-Fälle“ gestiegen – in Deutschland auf über 6.000 im gleichen Zeitraum!
Ich konnte mir das nicht zunächst nicht erklären – selbst die Panik-Infos aus Deutschland und die Hamsterkäufe hielt ich für ein Gerücht.
TAG 1 in Deutschland hat alle Fragen beantwortet
Es ist nicht der Virus, es ist das dumme Verhalten vieler Menschen.
Im Gabel-Rückflug via Dubai – ein Flieger voller deutscher Touris – trug fast niemand eine Atemschutzmaske, aber großzügig rumhusten, alles anfassen und niesen. Die meisten Masken – nicht FFP3 – schützen die anderen vor einem selbst, eben um „Tröpfen“ nicht zu sehr zu streuen. Das hat etwas mit Respekt zu tun.
Uns hingegen haben sie belächelt als wir mit Atemschutzmaske sitzend uns die Hände desinfiziert haben, nachdem die Stewardess das Essen ausgeteilt hat. Gleiche Blicke trafen uns als wir unsere Koffer vom Band nahmen und uns die Hände desinfizierten, wie wir es in den Wochen in Vietnam gewohnt waren. Eine für uns inzwischen fast unbewusste Handlung. Die Blicke der „Nieser“ – The Walking Dead lässt grüßen – waren nahezu verachtend.
Mein persönlicher Höhepunkt im Umgang mit dem Coronavirus
Einkauf im Edeka – eigentlich ein für uns ungewohntes Bild niemanden mit Atemschutzmasken zu sehen, nirgends eine Möglichkeit sich die Hände zu desinfizieren und trotzdem hat jeder alles angefasst – Kühlschranktüren ungeschützt, die Kinder im Einkaufswagen und das ganze Spektakel nochmals getoppt vom Multiplikator „Kassierer“. Umgedreht hat man sich allerdings nach uns – ein fast xenophobes Verhalten.
Plötzlich fing jemand an uns auszulachen – mit einem bewusst lautem „HI HI HI“ -, um uns deutlich zu machen wie albern er unsere Atemschutzmasken findet. Wenn ein sechsjähriger Junge eine Atemschutzmaske trägt und dann von einem Erwachsenen ausgelacht wird, muss ich die Reife von Menschen in Frage stellen, zumal es auch andere gesundheitliche Gründe geben kann diese zu tragen.
Ähnliches Verhalten erfuhr ich beim Tanken. Ich wurde mit Kopfschütteln „gestraft“, weil ich ein Papiertuch benutzt habe, um den Zapfhahn zu bedienen. Zum Glück kann man wenigstens kontaktlos bezahlen.
Wenn alle so unbekümmert sind, wieso dann Panik und Hamsterkäufe?
In Vietnam herrscht keine Panik, keine Warenknappheit und es gibt genug Atemschutzmasken und Desinfektionsmittel – obwohl sie täglich genutzt werden. Vor allem aber geht durch die gesamte Gesellschaft ein hygienisch vorbeugendes Verhalten und es gibt genügend Schutzmaßnahmen in öffentlichen Gebäuden, speziell in Supermärkten.
Bei uns in Westeuropa herrscht Panik, kurzfristige Warenknappheit, Hamsterkäufe und trotzdem ein arrogantes, fast schon verachtendes Verhalten gegenüber hygienischen vorbeugender Maßnahmen. Atemschutzmasken oder Desinfektionsmittel sind ausverkauft – obwohl sie offensichtlich keiner nutzt oder zumindest nicht richtig. Keine Aufklärungsschilder/-plakate in Sicht. Keine Schutzmaßnahmen in öffentlichen Gebäuden oder Supermärkten.
Man kann Autos produzieren aber keine Atemschutzmasken oder Desinfektionsmittel nachliefern. Die Herstellung und Lieferung muss um ein Vielfaches komplexer sein als in Vietnam, anders kann ich es mir nicht erklären.
Ich sehe hier primär ein Versagen der Politik, der jetzt nur noch Zwang – siehe Polizei in Spanien oder Italien – und Quarantäne als Mittel bleibt, statt vorbeugender Maßnahmen und Aufklärung.
Wieso schafft das viel ärmere, kommunistische Vietnam das und wir nicht?
Selbst in China sind im gleichen Zeitraum relativ wenig Neuinfektionen hinzu gekommen. Im Gegensatz zum großen Bruder aus Amerika wird Europa nun von China in Sachen COVID-19 unterstützt.
Unfassbar wie stark sie noch vor wenigen Wochen wegen ihrer Maßnahmen vom Westen kritisiert wurden – fast schon arrogant.
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